Der extrem schlechte Sommer 1980
Kleine Inhaltsübersicht:
1. Auf der Suche nach dem schlechtesten Sommer
2. Eine Chronologie des Schreckens
3. Der Sommer 1980 im Vergleich
4. Die Kälteperiode vom Juni/Juli im historischen Vergleich
5. Quellen und Bildnachweise
1. Auf der Suche nach dem schlechtesten Sommer
Oft und gerne wird ja über schlechte Sommer diskutiert bzw. welche wohl die miserabelsten
waren: der Sommer 2000 wird da häufig genannt, vor allem der Juli 2000, der Sommer 1987 wird
oft aufgeführt, auch 1978 ist manchen noch in Erinnerung, und wenn man ganz weit zurückgeht
(persönlich erlebt hat den wohl niemand mehr) so kommt natürlich der
legendäre Sommer 1816 ins Spiel ... Seltsamerweise wird 1980 dabei meist übersehen bzw. nur
als "ferner liefen" in die "Miese Sommer-Liga" eingeordnet. Tatsächlich gibt es etliche
Sommer, deren negative Temperaturabweichungen vom Normalwert größer sind als die von 1980. Der
in diesem Sinne schlechteste der letzten 50 Jahre in weiten Teilen Deutschlands war der
Sommer 1956, auch 1965 war sehr kühl, und auch 1978 besitzt in der Summe aller drei Monate
eine größere negative Temperaturabweichung als 1980. Was also hebt trotzdem 1980 über all die anderen
schlechten Sommer hervor?
Ein schlechter Sommer ist kühl und nass, aber nicht durchgehend: es finden sich zwischen den
Regenzeiten immer wieder einige schöne und warme Tage, nicht viele meist, aber immerhin
genug, um zu bemerken, dass ja doch noch Sommer ist. Das trifft selbst auf das "Jahr ohne
Sommer" 1816 zu. Wirklich kritisch für Mensch und Natur wird es aber, wenn über viele Wochen
hinweg regnerisches und kaltes Wetter ohne Unterbrechung anhält, die Sonne sich nicht sehen
läßt und die 20°-Marke nur von unten her angenähert, aber nicht überschritten wird ... Diese
Kriterien erfüllt das Kernstück des Sommers 1980 voll und ganz: die Zeit vom 15. Juni bis zum
22. Juli war in weiten Teilen Mitteleuropas seit mindestens 200 Jahren die kälteste Periode
innerhalb eines Sommers, die länger als 30 Tage dauerte. Schon der Juli allein zählt zu den
kältesten Sommermonaten seit es Instrumentenbeobachtungen gibt; das ganze Ausmaß dieser
Kältephase wird aber in den Monatsstatistiken gar nicht voll sichtbar, da sich diese
Schlechtwetterperiode auf zwei Monate verteilte, und die erste Junihälfte sowie die letzte
Juliwoche etliche warme bis heisse Tage aufwiesen.
Wer aber den 1980er Sommer hier in Mitteleuropa schon bewußt miterlebt hat, dem sind wohl
nur die schrecklichen Juni/Juli-Wochen in Erinnerung geblieben und nicht die paar schönen
Tage vorher und nachher. Und bevor ich diesen Sommer quantitativ-statistisch erfasse (ab
Kapitel 3), möchte ich eine Art Erlebnisbericht geben, so wie ich jene Wochen im
Saarland, dem Zentrum der Schlechtwetterzone, erlebt habe ...
2. Eine Chronologie des Schreckens
1. - 13. Juni:
Ein relativ normaler Juni in den ersten zwei Wochen: schlechter Start, kühl (Tmax 12°)
und regnerisch, alles noch von den letzten Maitagen her "geerbt". Bessert sich dann
langsam und ab 4./5. ist das Wetter ziemlich schön: viel Sonne, Tageshöchstwerte meist
zwischen 24 und 28°, und alle zwei, drei Tage ein Gewitter mit mäßig ergiebigen Schauern.
14. Juni:
Der bisher heisseste Tag in diesem Sommer: 29°, wechselnd bewölkt. Am frühen Abend dann
ein kräftiges Gewitter mit 11 mm Regen. Man hätte es für ein harmloses Hitzegewitter halten können.
Aber der Blick auf die Wetterkarte (siehe linkes Diagramm in Bild 1) zeigt, dass da mehr
dahintersteckt: ein Atlantik-Tief nähert sich von Westen. Also möglicherweise ein paar
Tage durchwachsenes Wetter bei gedämpften Temperaturen, denke ich ...
15. - 19. Juni:
Jeden Tag nimmt die Höchsttemperatur um rund 1° ab: sind es am 15. noch 22°, so werden in
meinem Wohnort im Nordsaarland (300 m NN) am 19. nurmehr 17° erreicht. Mit Ausnahme des 18.
dabei jeden Tag kräftige Regenschauer, mehrmals aber auch stundenlang anhaltender Landregen.
20 mm kommen so zusammen. Und der Blick auf die Bodendruck-Karte des 19. Juni läßt leider
wenig Hoffnung auf baldige Wetterbesserung aufkommen:

Ein erheblicher Druckgradient hat sich da über dem Ostatlantik aufgebaut, mit Zielrichtung
Mitteleuropa. Aber immerhin ist es ja noch über eine Woche bis zum ominösen Siebenschläfertag,
der jetzt schon im Fernsehen und den Zeitungen ins Visier genommen wird. Und am 27. wären es
dann ja bereits 12 Tage schlechtes Wetter am Stück, höchstwahrscheinlich findet somit vorher ein
Wetterwechsel statt und ein sattes Hoch liegt am Siebenschläfertag über Deutschland! Sicher, ich
weiß, die Natur ist dankbar für den Regen, und die Erdbeeren werden dadurch einfach viel süßer
schmecken. Aber eine Woche Regenwetter sollte ja wohl ausreichend sein ...
20. - 27. Juni:
Mit Ausnahme des 21. an jedem Tag Regen, und zwar meist im Doppelpack: vormittags kräftige
Regenschauer und nachmittags mehrstündiger Landregen oder aber gerade umgekehrt. Am 25. und
26. läßt sich aber immerhin zwischen den Wolken und all den Regenschauern auch mehrmals die
Sonne sehen! Was den Temperaturen aber auch nicht auf die Sprünge helfen kann, denn die
Höchstwerte bewegen sich unglaublich konstant zwischen 17 und 18° und nachts pendeln die
Tiefstwerte zwischen 7 und 9°. Weitere 28 mm Regen kommen zur Junisumme in diesen Tagen
hinzu. Einige kräftige Regenschauer und ein Gewitter dann am Siebenschläfertag ... Aber der
Wetterwechsel muß ja jetzt einfach kommen, schließlich ist Sommer!
28. - 30. Juni:
Und schon der 28. bringt einen Wetterwechsel: ganztägig Dauerregen (Summe: 22 mm), das war
bis jetzt noch nicht dagewesen. Vor dem Dauerregen war es aber nachts noch kurz aufgeklart,
was erfrischende 4° als Morgentemperatur zur Folge hatte. Immerhin werden dann aber doch
noch beachtliche 12° als Höchsttemperatur erreicht. Ein Blick auf Bild 2, etwas weiter unten
(linkes Diagramm) zeigt einen riesigen Tiefdruckkomplex über Skandinavien, an dessen westlichen
Rand sich ein Teiltief gebildet hat, das von England kommend nach Deutschland hineinzieht und
hier den Dauerregen verursacht. Schon 12 Stunden später verschmilzt es wieder mit dem Zentraltief.
Apropos Erdbeerernte: mußte dafür Stiefel anziehen, wegen dem gräulichen Matsch im Garten. Hätte
es aber auch sein lassen können: die eine Hälfte verfault, die andere schmeckte, nun ja,
wässrig ...
1. - 6. Juli:
Der Juli zeigt gleich am ersten Tag, was er von schönem Sommerwetter hält: gar nichts. Am
Vormittag stundenlanger starker Dauerregen, gefolgt am Nachmittag von kräftigen Schauern.
Abgerundet wird das Ganze dann durch neuerlichen mehrstündigen Regen am Abend und in der
Nacht - Tagesbilanz: 20 mm. Sonne: unsichtbar. Ein Blick auf die Bodendruckkarte (Bild 2,
rechtes Diagramm) zeigt ähnlich wie am 28. 6. ein von England über Benelux nach Deutschland
hineinziehendes Tief. Über dem Atlantik bis in den grönländischen Raum herrscht hoher
Luftdruck, über ganz Mittel-, Nord- und Osteuropa tiefer - schöne Wetterlage im Winter, aber
für Liebhaber warmer trockener Sommer eine schlimme Lage.

In den Folgetagen ist es stark bewölkt, immer wieder Regenschauer, aber am 6. Juli bleibt
es trocken, am Nachmittag sogar etwas Sonnenschein und die Temperatur steigt hier auf
schwindelerregende 22° (vielleicht hat sich aber auch nur ein Sonnenstrahl auf mein Thermometer
verirrt, denn offizielle DWD-Stationen der Umgebung melden Tmax < 20°). Seit drei Wochen
herrscht jetzt durchgehend schlechtes, kaltes Wetter, die Presse hat das Wetter derweil schon
zum Schlagzeilenthema gemacht, die Fernsehmeteorologen entschuldigen sich fast schon jeden
Abend für die neuen schlechten Botschaften, die sie verkünden müßen - also, dieser 6. Juli,
dieser Lichtblick, muß doch jetzt die Wende zu zumindest normalem Sommerwetter sein! Das
könnte die Kirschenernte doch noch retten ...
7. - 9. Juli:
Und es kommt auch prompt normales Sommerwetter - normal für den Sommer 1980! Zwei Tage mit
zahlreichen und heftigen Schauern, dabei sehr windig und das Thermometer bleibt bei 16°
hängen ... Weitere 16 mm an Regen kommen hinzu. Am 9. eine Atempause: nur kurze Schauer,
stark bewölkt den ganzen Tag über, kein Wind mehr, 18°. Die Ruhe vor dem Sturm, denn wer
glaubte, schlimmer geht nimmer, den sollten die nächsten 6 Tage eines besseren belehren!
10. - 16. Juli:
Mitte Juli, Mitte des Sommers, Hochsommer! Aber was für ein Kontrastprogramm beim Wetter.
Als ob all die Wochen vorher nur zum Training gedient hätten, zeigt der Sommer nun den
armen Mitteleuropäern, wie
wirklich schlechtes Sommerwetter aussieht: in praktisch
ununterbrochener Folge ziehen Tiefdruckgebiete bzw. Tiefausläufer über Mitteleuropa hinweg,
wobei sich die Wetterlage von "Tief östliches Mitteleuropa" zu "Tief westliches Mitteleuropa"
hin verändert, mit unverändertem Blockadehoch über dem Atlantik (siehe Bild 3). Kein einziger
Sonnenstrahl läßt sich dieser Tage über sehen, am 10. und 11. liegen die Höchsttemperaturen
nur bei 12°, ansonsten zwischen 14 und 16°. Und in der Nacht zum 17. klart es kurzzeitig auf,
was einen Tiefstwert von 1° zur Folge hat - Mitte Juli!! Tiefpunkt dieser Woche ist der
15. Juli: ganztägig kräftiger Regen, Tagesbilanz: 20 mm.

Nicht nur hier im Saarland herrscht solch mieses Wetter, wie einige Wettermeldungen vom
Mittag des 13. Juli exemplarisch zeigen: Schleswig, Schauer 12°, Hannover, Regen 12°,
Berlin, wolkig 15°, Köln, Regen 12°, Trier, bedeckt 10°, Stuttgart, Regen 12°, Nürnberg
Regen 11°, München, Regen 13°. Und am 15. gab es womöglich auch einen Tornado in Franken, so
jedenfalls eine dpa-Meldung vom 15.:
Franken - Sturm verwüstete Dorf
Auf über eine Million DM wird der Schaden geschätzt, den eine Windhose
in der unterfränkischen Gemeinde Grettstadt im Landkreis Schweinfurt
anrichtete. Der Sturm von höchstens drei Minuten Dauer hatte gegen
19.20 Uhr eine schmale Schneise durch den Ort und in den Gemeindewald
geschlagen. Bis Anlieger erschreckt auf die Straße laufen konnten, war
bereits alles vorbei. Es herrschte - so ein Betroffener - erst Totenstille,
in die dann ein heftiger Regenguß platzte.
Im Fernsehen und den Zeitungen ist jetzt das Wetter Thema Nr. 1.:
"Der große Regen",
"An der Regenfront nichts Neues", "Der Juli, der ein November ist". Wer kann, bucht
jetzt seinen Urlaub irgendwo im Süden oder besser gleich in der Karibik oder auf den
Malediven. Halb Deutschland will nach Australien auswandern. Die Reisebüros machen dementsprechend
gute Umsätze, während es für die Landwirte aber schlecht aussieht: die Getreideernte ist in
Gefahr, ebenso die Kirschen- und Frühkartoffelernte. Bei mir im Ort konnten die Bauern noch
nicht einmal die erste Heuernte einbringen! Auf der Zugspitze liegen rund 4 m (ja, Meter)
Schnee. Ganz Deutschland ist depressiv, ich auch - sind ein paar Tage warmes, sonniges Wetter
im Sommer denn zuviel verlangt? Morgens beim Aufstehen Regen, beim Mittagessen Regen, beim
Zubettgehen Regen, Regen, Regen - ich kann kein Wasser mehr sehen ...
17. - 21. Juli:
Alles Jammern hilft nichts, Petrus bleibt unerbittlich und schiebt eine weitere Woche
mieses Sommerwetter nach, die Tmax-Werte sinken von knappen 20° wieder auf 13°, und in
der Nacht zum 22. sinkt das Thermometer auf 2°. Täglich stundenlanger Regen, kein Wunder
bei der Wetterlage (siehe Bild 4, linkes Diagramm). Aber manchmal gehen auch drastische
Wetteränderungen sehr schnell vonstatten! Ach ja, die Kirschenernte: Hatte extra noch
ein paar Tage gewartet (auf besseres Wetter), mußte die wenigen, die nicht aufgeplatzt
und angefault waren dann aber doch in strömendem Regen pflücken. Der Geschmack?
Wässrig!
22. - 26. Juli:
Kaum zu glauben - am 21. noch kaltes Wetter mit Regenschauern ohne einen einzigen
Sonnenstrahl, und schon am nächsten Tag strahlender Sonnenschein, und zwar durchgehend!
Ein Hoch über Mitteleuropa (siehe Bild 4, rechtes Diagramm), niemand hatte mehr daran
geglaubt, so etwas diesen Sommer noch zu erleben. Am 22. noch kühle 17° als Höchsttemperatur,
steigern sich die Tmax-Werte in den Folgetagen bis auf 31° am 26. Dies sollte dann auch
der heisseste Tag dieses Sommers bleiben. Denn schon am 27. war es mit dem schönen
Hochdruckwetter wieder vorbei.

Den Rest des Sommers kann man als wechselhaft beschreiben: bis Mitte August recht freundlich,
mehr Sonne als Wolken, gelegentlich etwas Regen, mäßig warm. Die zweite Augusthälfte aber
eher unfreundlich, vor allem sehr kühl vom 22. - 25. und am 31., und am 16. August hat
dieser Sommer hier noch ein Extra-Bonbon bereit: stundenlanger extremer Regen in der Nacht
und am frühen Morgen bringen 73 mm Niederschlag, in der näheren Umgebung teilweise sogar 100 mm.
Kleine Rinnsale hier werden zu reißenden Wildbächen, der hiesige Sportplatz (direkt vor meiner
Haustüre) wird von solch einem "aktivierten" Bach, der sein Abflußrohr verlassen hat, erst
unter Wasser gesetzt und dann mit einer dicken Schlammschicht überzogen. Der letzte Tag des
meteorologischen Sommers, 31. August, dann ganz typisch: bei maximal 16° immer wieder kräftige
Regenschauer bei durchgehend starker Bewölkung. BRAVO, Sommer 1980, dich vergißt man nicht
so schnell!
3. Der Sommer 1980 im Vergleich
Das ganze zweite Kapitel läßt sich im Prinzip auch in einer Graphik darstellen. Nachfolgendes
Diagramm (Bild 5) zeigt den Sommerverlauf 1980 für die DWD-Station Saarbrücken-Ensheim. Zur
Erläuterung: die dicken roten und blauen Linien markieren die täglichen Maximal- bzw. Minimum -
Temperaturen, die entsprechend farbigen dünnen Linien das langjährige (hier 1951 - 2002) Tmax-
bzw. Tmin-Mittel, so daß man sofort sehen kann, wie sehr sich für jeden Tag die aktuellen
Temperaturen von den "Normal"-Temperatur dieses Tages unterscheiden. Die roten Zahlen direkt
unter den Temperaturlinien stellen die Abweichungen von den mittleren Tmax-Werten für Juni (links), Juli
(Mitte) und August (rechts) dar, die blauen Zahlen entsprechend die Abweichungen von den Tmin-Werten.
Die grünen Balken unten stellen die täglichen Regenmengen dar (rechte Skala) und der horizontale
Balken direkt unter dem oberen Bildrand die tägliche relative Sonnenscheindauer: leuchtendgelb =
ganztägig ungetrübter Sonnenschein, schwarz = null Sonnenschein (zugehörige Farbskala siehe
unterhalb des Diagramms).

Schön zu sehen der Totaleinbruch der Temperatur zwischen dem 15. Juni und dem 22. Juli: an
keinem einzigen Tag erreichten in diesem Zeitraum die Tmax-Werte auch nur annähernd die
klimatischen Normalwerte, ja blieben sogar durchgehend unter 20° C. Und auch die Tmin-Werte
streiften nur wenige mal die Normalwerte. Mehrmals sogar tauchen die Tmax-Werte
unter
die Tmin-Klimanormalwerte ab! An den Temperaturabweichungen kann man erkennen, dass in allen
Sommermonaten die Tmax-Abweichungen größer sind als die Tmin-Abweichungen, eine für einen Sommer
typische Situation, da sich die Tiefstwerte eines schönen, warmen Sommers oft nur wenig von den
Tiefstwerten eines verregneten, kühlen Sommers unterscheiden. (Jedenfalls in eher ländlich
geprägten Gegenden - und Saarbrücken-Ensheim ist eine solche, ewa 8 km vom Stadtzentrum von
Saarbrücken entfernt, 100 m höher und
nicht im Saartal liegend, somit keineswegs repräsentativ
für die Stadt Saarbrücken! Es ist vielmehr die Flughafen - Station.) Der allermeiste Regen
dieses Sommers fiel eindeutig in diesem kalten Zeitabschnitt, aber auch der Restsommer fiel
nicht gerade trocken aus. Erwähnenswert auch hier die Regenmenge von rund 43 mm, die in der
Nacht vom 15. auf den 16. August fiel (damit einige Stunden früher einsetzend als hier im
Nordsaarland und weniger ergiebig). Der Sonnenscheinbalken des Diagramms zeigt gut, wie überaus
gering vor allem vor dem 22. Juli die Sonnenscheindauer ausfiel, und der August reißt da
auch keine Bäume aus.
Wie sieht dieser Sommer nun aber im Vergleich zu anderen schlechten Sommern aus. Mißt man
"schlecht" mit der Summe der Temperaturabweichungen der einzelnen Monate, so ist der schlechteste
Sommer der letzten 50 Jahre in Saarbrücken-Ensheim der von 1956, mit einer Abweichung des
Gesamtsommers von -2,10 °C vom Normalwert, gefolgt vom Sommer 1978 mit einer Abweichung von
-1,84 °C. Der 1980er Sommer mit seiner -1,49 °C-Abweichung sieht da noch verhältnismäßig "mild"
aus, aber dieser Schein trügt, wie wir gesehen haben. Denn auch die temperaturmäßig insgesamt
schlechteren Sommer haben ein insgesamt freundlicheres Gesicht als der 80er, wie nachfolgendes
Diagramm (Bild 6) für den 1956er - Sommer zeigt:

Die Phase des temperaturmäßigen Totaleinbruchs (also Tmax, Tmin < langjähriges Mittel) dauert hier
vom 6. Juni - 29. Juni, also "nur" rund 24 Tage, verglichen zu den 37 Tagen im Sommer 1980; auch
sind die Differenzen zu den Normalwerten nicht so groß wie 1980. Dafür aber ist der August 1956
deutlich schlechter als der des Jahres 1980. Der Sonnenscheinmangel erreicht 1956 nicht so extreme
Ausmasse wie 1980, und auch die Regenmenge hält sich noch in Grenzen.
Reizvoll, wenn auch nicht unbedingt zum Thema "Schlechte Sommer" gehörend, ist natürlich
ein Vergleich mit den Supersommern 1976 und 2003. Um Ladezeit zu sparen, hier nur die Links zu
den entsprechenden Diagrammen:
Diagramm Sommer 1976 für Saarbrücken
Diagramm Sommer 2003 für Saarbrücken
Es ist schon faszinierend zu sehen, wie an etwa 80 der 92 Tage des Sommers 2003 die Tagesmaxima
höher als im langjährigen Durchschnitt liegen, und das meist beträchtlich! Das Bemerkenswerteste
am Sommer 1976 ist die extreme Trockenheit und die Hitzewelle in der ersten Hälfte, wobei diese
Hitzewelle zeitlich in etwa übereinstimmt mit der extrem schlechten Periode des 80er Sommers. (So
streiten sich der August 2003 und die 30 Tage vom 21. 6 - 20. 7. 1976 um die Position 1 der
heißesten jemals in einem Sommer aufgetretenen 30-Tage-Periode. Näheres zum Sommer 1976 kann man
in meinem gleichnamigen Forums-Beitrag finden, den ich zur letzten Fußball-Europameisterschaft,
2000, hier vorgestellt hatte.)
Bevor ich im nächsten Kapitel die erstaunlichen historischen Perspektiven der 80er Kälteperiode
vorstelle, soll hier noch ein europaweiter Überblick über den Sommer 1980 gegeben werden.
Nachfolgendes Bild 7 zeigt die europaweiten Luftdruck- und Temperaturanomalien für den Juni 1980:

Während die negativen Druckanomalien hauptsächlich auf das nördliche Westeuropa sowie
Mitteleuropa beschränkt waren, war es in ganz Europa mit der Ausnahme Skandinaviens moderat zu
kühl. Skandinaviens leichter Drucküberschuß und recht großen positiven Temperaturabweichungen
sind auf dort häufige Hochdrucklagen bis etwa 19. Juni zurückzuführen - danach nistet sich dort
aber der große nordosteuropäische Tiefdruckkomplex ein, der dann auch das mitteleuropäische
Sommerwetter wesentlich mitbestimmt.
Im Juli verschärft sich europaweit die Situation deutlich (Bild 8):

Der Schwerpunkt der Luftdruckanomalie hat sich von Großbritannien nach Mitteleuropa verlagert,
und die negativen Temperaturanomalien haben sich europaweit z.T. deutlich vergrößert, wobei auch
die im Juni noch vorhandene Wärmeinsel über Skandinavien großteils, wenn auch nicht völlig,
abgebaut wurde. Die größten Temperaturdefizite findet man im Nordosten Rußlands (was uns hier
jetzt nicht weiter interessiert) sowie über Nordfrankreich, Belgien, Schweiz sowie dem
Südwesten von Deutschland. Dass Südwestdeutschland tatsächlich im Zentrum des "Sommer-Schreckens"
steht, werden wir im nächsten Kapitel noch sehen. Aber auch bei großflächig schlechtem
Wetter gibt es irgendwo einen lachenden Dritten (Dritten??), wie man den Juni/Juli-Diagrammen
entnehmen kann: Touristen waren gut beraten, ihren Urlaub in der Türkei zu buchen!
Im August hat sich dann in West- und Mitteleuropa die Situation weitgehend normalisiert, wenn
auch speziell Deutschland noch leicht zu tiefe Temperaturen aufweist. Dafür aber ist nun
Osteuropa und der Balkan großflächig von Wärmemangel heimgesucht (Bild 9):

Abschließend noch zwei Karten (Bild 10), die die mittleren täglichen Regenmengen in Europa
für Juni und Juli 1980 zeigen; die Werte sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Denn wie
die anderen hier gezeigten Europa-Anomalie-Karten stammen sie aus der NOAA-Reanalysis, die zwar
für Temperatur und Druck sehr gut zu gebrauchen ist, da hierfür reale Beobachtungen hauptsächlich
benutzt werden, weniger gut aber für den Niederschlag, da dieser ein Modell-Output ist und nicht
auf realen Beobachtungen beruht. Trotzdem erhält man damit einen zumindest brauchbaren
"In-Etwa-Überblick" (Angaben in mm/Tag).

Die Verteilung der Regenmengen über Deutschland ist so wie gezeigt nicht richtig, denn tatsächlich
fiel im Südwesten am meisten und im Osten am wenigsten, wie wir im nächsten Kapitel noch sehen
werden. Im Groben stimmen aber die Regenmengen für Deutschland (jeweils 100 - 200 mm im Juni und
Juli), wenn man die Übertreibungen im Osten weglässt. Auffällig auch die sehr hohen Regenmengen
über Polen in beiden Monaten. Diese entsprechen aber wohl der Realität, wenn auch die größten
Regenmengen dort nicht im Osten, wie von den Karten suggeriert, sondern im Westen des Landes
fielen: so in Koszalin (Köslin) im Juni und Juli 201 bzw. 140 mm, in Torun (Thorn) 299 bzw. 221 mm
und in Wroclaw (Breslau) 57 bzw. 251 mm. Dazu passt auch folgende Zeitungsmeldung (Saarbrücker
Zeitung vom 13. Juli 1980):
In 15 der 49 Woiwodschaften Polens herrschte am Wochenende der Notstand,
nachdem anhaltend schwere Regenfälle im Norden und Westen des Landes die
Flüsse über die Ufer treten ließen. Die Niederschläge, die seit Tagen anhielten,
waren am Freitag und Samstag besonders heftig. Tausende Hektar Ackerland stehen
unter Wasser. Bei der Evakuierung von Bauern aus den betroffenen Gebieten waren
außer der Feuerwehr auch Einheiten der polnischen Armee eingesetzt. (...)
In Breslau sicherten Armeeeinheiten zwei Brücken, die durch das Hochwasser der
Oder gefährdet sind. Bei Konin an der Warthe stehen ebenfalls weite Gebiete
unter Wasser.
Es fällt auf, dass solcherart Wetterkatastrophen in Deutschland in jenem Sommer weitgehend
ausblieben, was vielleicht auch erklärt, warum der Sommer 1980 nicht so berüchtigt wurde, wie
er es eigentlich verdient hätte. Trotzdem geriet gegen Ende Juli hin auch die Hochwasserlage an
etlichen deutschen Flüssen in den kritischen Bereich, wie folgende dpa-Meldung vom 21. 7. belegt:
Wegen der starken Regenfälle der letzten Tage droht in Teilen der
Bundesrepublik Hochwassergefahr. Die bayrische Landespolizei rief (..)
alle Camper und Bootsbesitzer am Main auf, ihre Wagen, Zelte und Boote
vor drohendem Hochwasser in Sicherheit zu bringen. Der Pegel des Mains
und seiner Nebenflüsse, aber auch mancher Flüsse in Südbayern steigen
ständig an. Im Hochwasser der Ostrach bei Sonthofen im Allgäu haben ein
29jähriger Mann und sein neunjähriger Sohn den Tod gefunden.
Eine in diesem Jahrhundert für die Sommerzeit noch nicht erreichte Hoch-
wassermarke ist am Kölner Rheinpegel registriert worden. Am Morgen wurde
ein Wasserstand von 6,20 Metern gemessen und damit die Hochwassermarke 2
erreicht. Bis zum Mittag stieg das Wasser auf 6,67 Meter und wird am
Donnerstag die Sieben-Meter-Marke erreichen.
Um diese Meldung durch konkrete Zahlen zu untermauern: die größten Regenmengen im Juni und
Juli fielen im Westen und Norden Deutschlands. So meldete Hamburg 184 und 169 mm für Juni
und Juli und Saarbrücken 144 und 197 mm. Werte über 100 mm jeweils für Juni und Juli waren
dabei in Deutschland der Normalfall, Werte unter 100 kamen nur vereinzelt vor (in Stuttgart z.B.).
4. Die Kälteperiode vom Juni/Juli im historischen Vergleich
Dass das Wetter im Juni/Juli 1980 sehr schlecht war, ist in den vorangehenden Kapiteln ja
zur Genüge gezeigt worden. Es stellt sich nun aber die Frage, wie schlecht diese Periode im
historischen Vergleich abschneidet. Dazu muß man sich aber erst über das Ausmaß der Abweichung
vom Normalen im Klaren werden. Das Betrachten der Temperaturanomalien von Juni und Juli allein
genügt nicht, denn wie schon erwähnt ist der Zeitraum des schlechtesten Wetters, also 15. Juni
bis 22. Juli, umgeben von deutlich wärmeren Tagen Anfang Juni und Ende Juli, die den jeweiligen
Monatsschnitt wieder nach oben ziehen. Für einen aussagekräftigen Vergleich mit den üblichen
Monatsmitteln muß man deshalb eine 30-Tage-Periode auswählen und für diese über alle verfügbaren
Jahre hinweg zuerst eine Mitteltemperatur und dann davon ausgehend Jahr für Jahr die entsprechenden
Anomalien berechnen. Für diesen Vergleich ausgewählt habe ich nun den 30-Tageszeitraum 21. Juni -
20. Juli, also die ersten 30 Tage des kalendarischen Sommers (im folgenden der Einfachheit halber
als ESM - Erster SommerMonat - abgekürzt). Die ersten fünf Tage sowie der
letzte Tag der Schlecht-Wetter-Periode bleibt also außen vor. Für eine ganze Reihe von deutschen
Städten sowie einige weitere aus den Nachbarländern habe ich diesen Zeitraum entsprechend
untersucht.
Die verfügbaren Tagesreihen der einzelnen Stationen sind von unterschiedlicher Länge; um aber
einen vernünftigen Vergleich der Anomalien zu gewährleisten sollte der für die Berechnung der
Normalwerte benutzte Zeitraum a) hinlänglich lang und b) überall möglichst dieselben Jahre
umfassen. Für "hinlänglich lang" kann man 90 - 100 Jahre betrachten, aber nicht jede Station
kann mit so langen (Tages)Reihen dienen. Tabelle 1 zeigt die benutzten Zeiträume:
Station | Messzeit | Normierungszeit
---------------|--------------|-----------------
Rostock | 1947 - 2003 | 1947 - 2003
Hamburg | 1891 - 2001 | 1900 - 1999
Hannover | 1936 - 2003 | 1936 - 2003
Berlin | 1876 - 2001 | 1900 - 1999
Münster | 1891 - 1991 | 1891 - 1991
Dresden | 1917 - 1999 | 1917 - 1999
Halle | 1900 - 1990 | 1900 - 1990
Aachen | 1891 - 2003 | 1900 - 1999
Frankfurt | 1870 - 1999 | 1900 - 1999
Trier | 1907 - 1998 | 1907 - 1998
Saarbrücken | 1951 - 2002 | 1951 - 2002
Kaiserslautern | 1901 - 1993 | 1901 - 1993
Karlsruhe | 1876 - 2001 | 1900 - 1999
Stuttgart | 1900 - 1999 | 1900 - 1999
Bamberg | 1879 - 2001 | 1900 - 1999
München | 1879 - 1998 | 1900 - 1999
Uccle | 1795 - 1998 | 1900 - 1999
Paris | 1900 - 2000 | 1900 - 2000
Luxemburg | 1947 - 1999 | 1947 - 1999
Prag | 1775 - 2001 | 1900 - 1999
Basel | 1901 - 1999 | 1901 - 1999
Zürich | 1901 - 1999 | 1901 - 1999
Erläuterung der einzelnen Spalten:
Messzeit: die Gesamtlänge der zur Verfügung stehenden Reihe
Normierungszeit: die für die Berechnung der Normalwerte benutzten Jahre
Nachfolgende Tabelle 2 zeigt die sich aus diesen Reihen ergebenden Temperaturanomalien für den ESM 1980:
Station | TA-Tmax | TA-Tmin | TA-Tmean | RA-Juni | RA-Juli | R-Tage | Tmax | Tmin | TA-Juli
---------------|---------|---------|----------|---------|---------|--------|------|------|--------
Rostock | -2,34 K | -1,74 K | -2,04 K | 156 % | 127 % | 23 | 17,9 | 11,6 | -1,05
Hamburg | -3,89 K | -1,89 K | -2,89 K | 271 % | 206 % | 29 | 17,4 | 10,4 | -1,53
Hannover | -4,07 K | -0,99 K | -2,53 K | 166 % | 170 % | 29 | 18,0 | 10,9 | -1,39
Berlin | -4,20 K | -2,12 K | -3,16 K | 180 % | 129 % | 26 | 18,9 | 10,8 | -1,97
Münster | -4,59 K | -0,89 K | -2,74 K | 97 % | 160 % | 27 | 17,4 | 11,2 | -1,12
Dresden | -4,37 K | -1,74 K | -3,05 K | 134 % | 194 % | 24 | 18,2 | 11,3 | -2,22
Halle | -5,76 K | -2,20 K | -3,98 K | 109 % | 146 % | 24 | 17,5 | 11,7 | -2,86
Aachen | -5,36 K | -2,12 K | -3,74 K | 111 % | 229 % | 27 | 16,4 | 10,6 | -2,16
Frankfurt | -6,15 K | -2,39 K | -4,27 K | 109 % | 148 % | 27 | 17,2 | 11,9 | -3,00
Trier | -6,71 K | -1,45 K | -4,08 K | 157 % | 198 % | 28 | 16,8 | 10,9 | -2,63
Saarbrücken | -6,04 K | -2,69 K | -4,36 K | 189 % | 264 % | 27 | 16,0 | 9,6 | -2,81
Kaiserslautern | -6,12 K | -1,14 K | -3,63 K | 172 % | 179 % | 28 | 17,0 | 10,9 | -2,25
Karlsruhe | -6,08 K | -2,24 K | -4,16 K | 139 % | 204 % | 26 | 18,3 | 11,9 | -2,55
Stuttgart | -5,23 K | -2,06 K | -3,65 K | 77 % | 95 % | 23 | 17,3 | 10,2 | -2,49
Bamberg | -6,10 K | -1,39 K | -3,75 K | 118 % | 147 % | 25 | 17,2 | 10,5 | -2,59
München | -5,36 K | -2,05 K | -3,71 K | 125 % | 128 % | 24 | 17,0 | 9,9 | -2,56
---------------|---------|---------|----------|---------|---------|--------|------|------|--------
Uccle | -5,21 K | -1,21 K | -3,21 K | | | | 16,4 | 11,1 | -1,26
Luxemburg | -6,55 K | -2,91 K | -4,73 K | 163 % | 169 % | 26 | 15,0 | 8,9 | -3,07
Paris | -5,61 K | -1,57 K | -3,59 K | 162 % | 185 % | 24 | 18,2 | 12,4 | -2,17
Prag | -4,39 K | -2,23 K | -3,31 K | 88 % | 165 % | 23 | 19,6 | 12,4 | -2,45
Basel | -6,49 K | -2,07 K | -4,28 K | 104 % | 104 % | 21 | 17,8 | 10,9 | -2,85
Zürich | -7,20 K | -2,35 K | -4,78 K | 124 % | 102 % | 24 | 16,6 | 10,3 | -3,22
Erläuterung der einzelnen Spalten:
TA-Tmax: Temperaturanomalie der mittleren Höchstwerte
TA-Tmin: Temperaturanomalie der mittleren Tiefstwerte
TA-Tmean: Temperaturanomalie der mittleren Mittelwerte
RA-Juni: Regenanomalie Juni, ausgedrückt in % des Normalwertes, Juli analog
R-Tage: Anzahl der Tage mit meßbarem Niederschlag innerhalb des ESM von 1980
Tmax: mittlerer Höchstwert des ESM von 1980
Tmin: mittlerer Tiefstwert des ESM von 1980
TA-Juli: Juli-Temperaturanomalie der mittleren Mittelwerte
Die Temperaturanomalien weisen ein deutliches Nordost - Südwestgefälle auf; vor allem die
Höchstwerte zeigen ein beachtliches Wärmedefizit, dass im Südwesten Deutschlands, in
Luxemburg und der Schweiz mit Werten von 6 - 7 K wahrhaft riesige Werte erreicht (Zürich
als Spitzenreiter mit -7,2 K sogar noch etwas darüber). Die negativen Abweichungen der
Tiefsttemperaturen vom Normalwert sind deutlich geringer, was aber - wie weiter oben schon
erwähnt - normal ist für den Sommer. In der letzten Spalte findet man zu Vergleichszwecken
die "üblichen" Temperaturanomalien der Mitteltemperatur für Juli. Diese sind vielfach deutlich
höher als die entsprechenden TA-Tmean-Werte (Spalte 4) der Kälteperiode. Bei den Regenmengen
fällt Stuttgart sehr aus dem Rahmen: die einzige der hier betrachteten Stationen, wo sowohl
der Juni als auch der Juli etwas
zu trocken ausfällt! (Was nur wieder zeigt, wie
vorsichtig man mit Niederschlagsmengen umgehen muß: ein Stuttgarter Wetter-Beobachter ohne
Kenntnis der Meßwerte anderer Orte würde den Sommer 1980 doch glatt als "zu trocken"
klassifizieren ...) Man beachte auch die durchweg sehr hohe Zahl der Regentage
innerhalb dieser 30 Tage. Trockenen Fusses (oder Hauptes) ist da wohl niemand in Deutschland
durch diesen Juni und Juli gekommen.
Nun kann endlich die Eingangsfrage beantwortet werden, wie diese 1980er-Kälteperiode im
historischen Vergleich dasteht. Man muß jetzt nur die Temperaturanomalien dieses Zeitraums
für jedes Jahr der Zeitreihe einer Station in ein Diagramm eintragen, und auf einen Blick
sieht man dann, wie 1980 sich schlägt. Es wäre jetzt etwas übertrieben, hier solche Diagramme
für jede der 22 Stationen der Tabelle 1 zu zeigen. Ich beschränke mich deshalb hier auf zwei
Stationen: zum einen auf Uccle/Zentralbelgien und zum andern auf Frankfurt.
Die Zentralbelgienreihe setzt sich in Wirklichkeit aus mehreren in Belgien und Holland
gelegenen Stationen zusammen (siehe Anmerkung 7 in meinem Beitrag "Klima und Vulkanismus"),
ist aber entsprechend homogenisiert. Die Tmax-Anomalie beträgt in Uccle (nahe Brüssel) -5,21 K,
was Mittelfeld ist. Das Interessante an Uccle ist nun aber die verfügbare Länge der Zeitreihe:
nämlich herab bis 1795! Damit erhält man einen sehr langen Vergleichszeitraum, der vor allem
das für seinen schlechten Sommer berüchtigte Jahr 1816 enthält (das aber in Uccle keineswegs
den schlechtesten Sommer stellt, siehe entsprechende Diagramme in "Klima und Vulkanismus").
Nachfolgendes Bild 11 zeigt nun das Tmax-Anomalie-Diagramm für Uccle:

Wie leicht zu erkennen ist, stellt der Sommer 1980 den absoluten Tiefpunkt dar: nie in den
(mindestens) letzten 200 Jahren waren die ersten 30 Tage eines (kalendarischen) Sommers kälter
als 1980! Das zweitkälteste Jahr ist 1978 mit -4,56 K Abweichung, dicht gefolgt von 1805 mit
-4,42 K. 1816 mit seinen -2,12 K folgt weit abgeschlagen! Sehr bemerkenswert auch 1976 mit der
mit Abstand heissesten Sommereröffnung; die heißeste und kälteste Sommerperiode eines
200-Jahres-Zeitraums liegen somit gerade mal vier Jahre auseinander. Zufall? Was ebenfalls ins
Auge fällt: die Jahre von 1795 - 1825 weisen fast durchgehend nur erheblich zu kalte Perioden auf.
Mit diesem Diagramm hat man aber vorerst nur nachgewiesen, daß der Zeitabschnitt 21. 6. - 20. 7.
nie kälter war als im Sommer 1980. Es wäre aber noch möglich, dass es andere 30-Tages-Abschnitte
innerhalb eines Sommers gab, die kälter waren oder genauer gesagt größere negative Anomalien
aufweisen. Zumindest für die Monate Juni, Juli, August trifft das in der Uccle-Reihe nirgendwo
zu: die Tmax-Anomalien dieser Monate sind in allen Jahren spürbar kleiner als die des ESM.
Etwas anders sieht es aus, wenn man anstatt der Tmax-Anomalien die Tmean-Anomalien betrachtet:
dann sind der Juli 1802 (-3,4 K) und der Juni 1923 (-3,3 K) etwas kälter als die -3,2 K des
1980er ESM
Das zweite Beispiel stellt Frankfurt/Main. Frankfurt deswegen, weil zum einen die Reihe noch
ziemlich lang ist, zum andern aber, weil mit -6,15 K Tmax-Abweichung und -4,27 K
Tmean-Abweichung Frankfurt zum Kernbereich der Schlechtwetterzone zählt. Außerdem ist
Frankfurt natürlich auch durch seine Lage etwa in der Mitte Deutschlands prädestiniert als
Beispiel-Station. Bild 12 zeigt die Tmax-Anomalien:

Und auch hier ergibt sich ein ganz ähnliches Bild wie bei Uccle: 1980 liefert wiederum die
klar kälteste und 1976 die mit großem Abstand heißeste Sommereröffnung. Man könnte beim
Betrachten des Diagramms den Eindruck bekommen, dass die Rechnung für sehr gute Sommer immer
umgehend präsentiert wird: auf den Klasse-Sommer 1983 folgten die kühlen 1984 und 1985 (1985
sieht man im Frankfurt-Bild nicht, da dieses Jahr leider eine Datenlücke darstellt - die
einzige, die ein ganzes Jahr umfasst in der gesamten Reihe, warum auch immer), die Rechnung für
den Supersommer 1976 fiel besonders hoch aus, gleich eine ganze Serie mäßiger - sehr schlechter
Sommer, und auch dem exzellenten Sommer von 1947 folgte ein sehr schlechter auf den Fuß. Der
aktuelle Sommer 2004 läuft zwar noch, aber wie - es scheint so, dass auch dieses Jahr eine hohe
Rechnung für den Endlossommer 2003 fällig wird. Wieviel Jahre werden wir dafür wohl bezahlen müssen?
Ähnlich wie im Beispiel Uccle wird auch in Frankfurt der ESM mit seinem
Tmax-Defizit von 6,15 K von keinem der einzelnen Sommermonate Juni, Juli, August der
gesamten Reihe unterboten. Am nächsten kommt ihm der Juni 1923 mit einem Tmax-Defizit von immerhin
-6,14 K; der Juni 1923 ist aber, wie in Uccle, Gesamtsieger, wenn man die Tmittel-Defizite
betrachtet, mit -4,72 K, auf dem zweiten Platz dann aber schon der 1980er ESM mit -4,27 K.
In diesem Kapitel wurde stillschweigend angenommen, dass schlechtes Wetter im Zeitraum 21. 6. - 20. 7.
auch automatisch bedeutet, dass der gesamte Sommer schlecht war. Stimmt das aber? Am Beispiel
der Frankfurter Reihe kann man das überprüfen, wenn man in ein Diagramm die Temperaturanomalien
dieses Zeitraums aufträgt gegen die Temperaturanomalien des Gesamtsommers (Bild 13):

Die blauen Punkte markieren die Werte aus den Jahren 1870 - 1934, die roten diejenigen der
Jahre 1935 - 1999. Dadurch kann man z.B. leicht sehen, dass in den letzten Jahrzehnten deutlich
mehr sehr warme ESMs auftraten als noch vor 70 - 130 Jahren. Ansonsten zeigt das Diagramm einen
recht guten Zusammenhang zwischen den ESM- und den Gesamt-Sommer-Temperaturanomalien: je größer
die Anomalie des ESM, umso größer auch die des Sommers - das gilt speziell für die besonders
kühlen oder heißen ESMs. Erwartungsgemäß ist im Bereich kleiner Anomalien die Streuung am
größten. Somit kann man die ESM durchaus als Indikator für das Verhalten des gesamten Sommers
benutzen. (Die Temperaturanomalien von Juni und August sind deutlich schlechter mit der des
Gesamtsommers korreliert, die Juli-Anomalie hingegen etwas besser!)
Zeit für ein Schlußwort: Ich hoffe, ich konnte mit diesem Beitrag den Sommer 1980 wieder
rehabilitieren und die ihm gebührende Würdigung zukommen lassen, nämlich die scheußlichsten
fünf Sommerwochen in Mitteleuropa seit mindestens 200 Jahren präsentiert zu haben! Sicher,
andere Sommer waren insgesamt kälter oder haben größere Gewitterunwetter und mehr Tornados
hervorgebracht, aber kein anderer war so erfolgreich damit, die eigentlich schönsten Wochen
von Juni und Juli in durchgehend tristes Novemberwetter zu verwandeln ... Ehre, wem Ehre gebührt!
Aber jetzt mal ganz ohne Ironie: die letzten zwei, drei Julitage haben sich hier im Saarland
um nichts von denen des Juli 1980 unterschieden. Und wir sind wieder in einem Jahr direkt
nach einem, nein, nach
dem Supersommer aller Zeiten! Sollten jetzt tatsächlich wieder
ein oder, wie nach 1976, gleich mehrere schlechte bzw. sogar miserable Sommer folgen, spräche
dies wirklich für die These, dass extrem guten Sommern umgehend entsprechend schlechte folgen.
Heute (9. 7.) betrug hier die Höchsttemperatur gerade mal 13 °C - wir haben aber Hochsommer, es
kann eigentlich in den nächsten Tagen nur besser werden. Aber das dachte ich 1980 auch, wochenlang ...
5. Quellen und Bildnachweise
Datenquellen:
Die benutzten Zeitreihen entstammen folgenden Quellen:
1) DWD - auf ihren Webseiten kann man sich für 44 deutsche Städte mehr oder
weniger lange Zeitreihen herunterladen, unter folgendem Link:
http://www.dwd.de/de/FundE/Klima/KLIS/daten/online/nat/index_standardformat.htm
2) ECA - "European Climate Assessment", eine Kooperation mehrerer Dutzend Wetterdienste
Europas, darunter auch der DWD. Für zahlreiche europäische Städte findet man
frei benutzbare Tagesreihen, sofern man die Quelle wie folgt angibt:
Klein Tank, A.M.G. and Coauthors, 2002. Daily dataset of 20th-century surface
air temperature and precipitation series for the European Climate Assessment.
Int. J. of Climatol., 22, 1441-1453.
Data and metadata available at http://www.knmi.nl/samenw/eca
3) Für die Zentralbelgienreihe (Uccle) wurde benutzt:
D. Camuffo, P. Jones (Hrsgb.): Improved Understanding of Past Climatic
Variability from Early Daily European Instrumental Sources,
Kluwer Academic Publishers, 2002
4) Für die Werte aus Baltersweiler/Nordsaarland (300 m NN) habe ich natürlich
meine eigenen Wetteraufzeichnungen benutzt
Herkunft der Bilder:
Bilder 1, 2, 3, 4, 7, 8, 9, 10: NOAA - Reanalysis, zugehörige URL:
http://wesley.wwb.noaa.gov/reanalysis.html
Bilder 5, 6, 11, 12, 13: eigene Produktion, ebenso die nur verlinkten
Bilder für die Sommer 1976 und 2003
Impressum
Angaben gemäß § 5 TMG: Dr. Wolfgang Rammacher, Amselweg
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