Napoleon und das Wetter 1812
Napoleon und das Wetter 1812
 

Das Wetter im Juni/Juli 1812

Wetterkarte Mittlerer Luftdruck (auf Meeresniveau reduziert) im Juni 1812; der Abstand der Isobaren (weiß eingezeichnet) beträgt 1 hPa

1. Monats-Überblick

Die Woche vor Kriegsbeginn gab es in St. Petersburg die ersten paar wirklich schönen und sehr warmen Tage im Juni 1812, mit Temperaturen um die 30°C. Die Wochen vorher waren hingegen unerfreulich kühl ausgefallen. Davon allerdings bekam der Zar nichts mit, denn er hielt sich in Wilna auf, in Erwartung der Armee Napoleons. In Wilna war es in diesem Juni wärmer als in St. Petersburg, und wie dort waren auch hier die Tage vor Invasionsbeginn ziemlich heiß. Während aber die russische Armee nur abwarten musste, musste die napoleonische noch viel marschieren. Und dabei hatte diese Armee ja schon eine große Marschleistung hinter sich, kamen die Soldaten doch aus so weit entfernten Ländern wie Frankreich, Italien, Holland, (West)Deutschland. Aber Eilmärsche mit voller Ausrüstung (etwa 25 kg musste ein gewöhnlicher Soldat auf seinem Rücken mitschleppen) bei großer Hitze bringen jeden Soldaten rasch an den Rand des Zusammenbruchs. Von daher hätte die napoleonische Armee zwei Dinge gebraucht, um ihre volle Leistungsfähigkeit wieder herzustellen: ein paar Tage Pause und trockenes, mäßig warmes Wetter. Ersteres wurde von Napoleon selbst verhindert: immer in Sorge, die russische Armee könnte ihm entkommen (die er ja unbedingt zur Schlacht stellen wollte), trieb er seine Männer fast permanent zu Eilmärschen an. Und auch das Wetter spielte nicht mit – vielmehr blieb dieser Juni seiner Linie bis zum Monatsende treu: wechselhaft, mit großer Neigung zu Gewitterunwettern.

Abb. 1 zeigt die mittleren Luftdruckverhältnisse (wie üblich immer reduziert auf Meeresniveau) über Europa für den Juni 1812. Man erkennt eine Zone tiefen Luftdrucks, die sich von den britischen Inseln über Skandinavien bis nach Nordrussland erstreckt. Südlich davon steigt der Luftdruck an; hier macht sich der Keil des Azorenhochs bemerkbar, der zwar bis nach Russland reicht, aber insgesamt nicht sonderlich stark ausgeprägt ist. Bei dieser Großwetterlage herrschen über Großbritannien und Skandinavien recht kühle Temperaturen vor, bei deutlich mehr Wolken als Sonne. Und Mittel- und Osteuropa erleben einen typisch wechselhaften Monat: warme, trockene Tage wechseln sich immer wieder ab mit kühlen, regnerischen und gewitterträchtigen Phasen. Was das für das Wetter in dieser Gegend genau bedeutete, wird weiter unten (Kapitel 3 - 5), bei der Tag-für-Tag-Behandlung des "napoleonischen" Wetters, detailliert diskutiert. Die Lage im Juni 1812 ähnelt von der mittleren Luftdruckverteilung der des Juni 1954 – bei der weiteren Diskussion werden deshalb einige Wetterlagen von 1954 für die Illustration entsprechender bzw. sehr ähnlicher Wetterlagen des Juni 1812 benutzt.


2. Die Abweichungen von Temperatur und Niederschlag vom langjährigen Monatsmittel

Tempkarte Abweichungen der mittleren Temperaturen im Juni 1812 von den langjährigen Mittelwerten (in °C) der jeweiligen Stationen. Blaue Quadrate: negative Abweichungen (zu kalt), rote Quadrate: positive Abweichungen (zu warm); je größer ein Quadrat, umso größer die Abweichung

Abb. 2 zeigt für zahlreiche Stationen Europas die Abweichungen der mittleren Temperaturen des Juni 1812 von denen des langjährigen Durchschnitts, immer bezogen auf die jeweilige Station. Lesebeispiel: St. Petersburg hatte im Juni 1812 eine mittlere Monatstemperatur, die rund 1,3°C (exakt: -1,31) unter den langjährigen für St. Petersburg typischen Junitemperaturen lag. Zur Einordnung der Abweichungen: 1°C wärmer oder kälter als der Durchschnittswert gilt als weitgehend normal, bei Abweichungen von bis zu +-2°C spricht man von zu warmen/kalten Monaten, bei noch größeren Werten von deutlich zu warmen/kalten Monaten und bei Abweichungen von mehr als 3°C nach oben oder unten von "sehr warmen" bzw. "sehr kalten" Monaten. Die Karte zeigt, dass im Juni 1812 Europa aus zwei gegensätzlichen Temperaturzonen bestand: einem zu kühlen Nordwestteil und einem zu warmen Südostteil. Die Trennlinie verläuft dabei mitten durchs Baltikum und Weißrussland, also dem Gebiet, wo der Feldzug Ende Juni losging. Natürlich ist diese Trennlinie unscharf bzw. sehr breit, aber sie hat schon ihre Bedeutung: in diesen Regionen ist die Neigung zu wechselhaftem Wetter, zum häufigen Wechsel von warmen, ja heißen Luftmassen mit kühlen am größten, und solche Luftmassenwechsel sind im Sommer sehr oft mit heftigen Gewitterunwettern verbunden. So auch im Juni 1812 im Baltikum.

Karte1 Abweichungen der Niederschlagsmenge im Juni 1812 von den langjährigen Mittelwerten der jeweiligen Stationen (in % des Normalwertes). Braune Quadrate: negative Abweichungen (zu trocken), blaue Quadrate: positive Abweichungen (zu nass); je größer ein Quadrat, umso größer die Abweichung

Auch sehr bedeutsam für das Wettergeschehen: die Menge des gefallenen Niederschlags. Leider sind Niederschlagsmessungen aus jener Zeit speziell für Ost-Europa nur spärlich überliefert – Abb. 3 zeigt die Messergebnisse für die meisten der verfügbaren Stationen (in West- und Mitteleuropa habe ich einige Stationen der Übersicht halber weggelassen). Angegeben ist, wie viel Prozent mehr oder weniger, verglichen zum langjährigen Normalwert in jenem Juni 1812 an jeder der Stationen gefallen ist. Auch hier ein Lesebeispiel: in Warschau fielen 15% mehr Niederschlag als dort üblicherweise in einem Juni fällt, während aber in Marseille 100% weniger Regen als gewöhnlich fiel – was natürlich nichts anderes bedeutet, als das im Juni 1812 in Marseille überhaupt kein Regen fiel! Insgesamt zeigt der Juni 1812 die für diese Großwetterlage typische Charakteristik: er ist in großen Teilen Großbritanniens und Skandinaviens zu nass, in Südwesteuropa (mit Südfrankreich) zu trocken und über Nordfrankreich, Benelux sowie Mitteleuropa sehr uneinheitlich: hier wechseln sich zu trockene und zu nasse Regionen ab. Bedauerlicherweise gibt es keine Messwerte für das Baltikum und Russland. Niederschlagsmengen können aber leider eine große räumliche Varianz aufweisen, selbst bei eng benachbarten Orten; von daher sind wirklich sichere Aussagen über die Niederschlagsverhältnisse im Juni 1812 angesichts des dünnen Stationsnetzes nicht möglich. Immerhin spiegelt aber die Niederschlagskarte doch recht gut den Einfluss von Hochs und Tiefs im Monatsmittel wider: Der meist hohe Luftdruck über Südwesteuropa findet seine Entsprechung in deutlich reduzierten Niederschlagsmengen in jenen Regionen. Andererseits findet man über Großbritannien über dem Normalwert liegende Niederschlagsmengen – zurückzuführen auf die Nähe zur nördlich gelegenen Tiefdruckzone, siehe Abb. 1. Aber auch hier gibt es Ausreißer: So meldet Islay in Schottland 30% weniger Niederschlag als normal.


3. Wettertagebuch der Truppe

Der Wetterablauf im Juni lässt sich dank der zahlreichen Berichte der (überlebenden) Feldzugsteilnehmer relativ gut rekonstruieren – aus Tagebüchern, noch während des Feldzugs geschrieben, und aus Memoiren, die allerdings oft erst viele Jahre später geschrieben wurden. Da bleibt es allerdings auch nicht aus, dass man zuweilen auf sich widersprechende Äußerungen stößt; zudem muss man bedenken, dass zwischen Vorhut und Nachhut oft eine größere Strecke lag, so dass durchaus unterschiedliche Wettererscheinungen von ein- und demselben Tag gemeldet werden konnten. Ich habe versucht, aus all diesen Berichten einen möglichst konsistenten Wetterablauf ("Wettertagebuch der Truppe") zu erstellen für jeden Tag des Monats (bzw. hier im Juni ab dem 23., dem Feldzugsbeginn), soweit möglich. Im nächsten Abschnitt wird dann versucht, aus diesen Truppen-Wettermeldungen und den 1812 europaweit gemessenen Wetterdaten (siehe Abb. 1 - 3 und die Wetterdiagramme) die damals herrschenden Wetterlagen zu rekonstruieren.

Das folgende "Wettertagebuch" besteht aus drei Spalten; die Spalten "Datum" und "Herrschendes Wetter" bedürfen keiner Erklärung, wohl aber die zweite Spalte "KHQ-Position". "KHQ" ist die Abkürzung für "Kaiserliches Hauptquartier" und "KHQ-Position" bezeichnet somit den Ort, wo sich an jenem Tag Napoleon mit seinem Stab befand – dies, damit man eine grobe Vorstellung bekommt, wo in Russland sich das Geschehen gerade abspielt. "Grob" deshalb, weil der Truppen-Lindwurm ja zeitweise über viele km in die Länge gezogen war!


Datum KHQ-Position Herrschendes Wetter
21. 6. erreicht Gumbinnen
22. 6. erreicht Wilkowiszki heißer Tag – unklar, ob es schon Gewitter gab
23. 6. Westseite des Njemen heißer Tag, Temperaturen über 30°C; ab dem späten Nachmittag / frühen Abend kommt es zu kräftigen Gewitterunwettern. Dabei entsteht ein Waldbrand durch Blitzeinschlag. Aber auch starke Regenschauer und stürmische Windböen treten auf, die viele Bäume entwurzeln und zu starkem Astbruch in den Wäldern führen
24. 6. Westseite des Njemen sehr warm bis heiß; am Nachmittag dann rasche und starke Quellwolkenbildung. Um 15 Uhr Gewitter: mehrere Männer und Pferde werden vom Blitz erschlagen. Damit verbunden ein starker Gewittersturm mit Hagel, der eine der drei Pontonbrücken über den Njemen (teilweise oder ganz) zerstört; das Unwetter dauert aber nicht lange an. Auf der Ostseite des Njemen, nur wenige Kilometer östlich der Übergangsbrücken, dauert der starke Gewitterregen aber zwei Stunden an und führt zum starken Anschwellen des Flusses Vilia.
25. 6. Kaunas Feucht-kalte Nacht, in der schon viele Pferde verenden. Schöner Morgen; dann aber rasche Erhitzung und wie am Vortag zum Nachmittag hin erneut Aufkommen von Gewittern, verbunden mit heftigen Platzregen. Dabei fast unerträglich schwül. Die Vegetationsentwicklung ist hier mindestens zwei Wochen im Rückstand, der Hafer deshalb noch grün und ungeeignet für die Pferde.
26. 6. Kaunas Entlang der gesamten Straße nach Wilna in der Nacht starker Regen; erneut verenden viele Pferde.
27. 6. verläßt Kaunas Ähnlicher Tagesgang wie an den Vortagen: nach feucht-kühler Nacht wieder am Vormittag rasche Erhitzung und nachmittags erneut heftige Regenschauer.
28. 6. erreicht Wilna Zuerst schönes, aber heißes Wetter; im weiteren Tagesverlauf aber erhebliche Wetterverschlechterung: der Himmel bedeckt sich, Wind kommt auf und wird immer stärker. Am Abend und in der Nacht bricht dann ein verheerendes Gewitterunwetter über Wilna herein, wo nun der Großteil der Invasionsarmee lagert: heftiges Gewitter, verbunden mit Starkregen, der die ganze Nacht über anhält. Dazu noch stürmischer Wind, der sich im Laufe der Nacht sogar noch verstärkt und erst Richtung Morgen hin abflaut (siehe dazu die Schilderung über die Nacht im Klostergarten weiter unten).
29. 6. Wilna Bei Tagesanbruch ist der Sturm vorbei, aber es regnet noch längere Zeit weiter (vermutlich jetzt Landregen). Das vom Unwetter betroffene Gebiet: Wilna selbst sowie die südlich und westlich von Wilna gelegenen Gebiete. Drei Soldaten wurden in der Nacht vom Blitz getroffen, aber erhebliche Verluste an Pferden (siehe an das Tagebuch anschließende Diskussion).
30. 6. Wilna vermutlich noch trübes, kühles Wetter mit Regenschauern, dabei windig
1. 7. Wilna in Piloni, ca. 50 km westlich von Wilna, überquert das italienische Corps von 35000 Mann den Njemen, bei anfangs heiterem Wetter. Dann zieht aber ein heftiges Gewitter mit Sturm und Starkregen auf, dass 36 Stunden lang anhält. Die Soldaten dort verbringen ein schreckliches Nachtbiwak, bei dem sehr viele ihrer Pferde umkommen.
2. 7. Wilna noch relativ kühles Wetter mit Regenschauern
3. 7. Wilna deutliche Wetterbesserung: die Sonne scheint wieder und die Temperaturen steigen auf sommerliche Werte an.
5. 7. Wilna es ist wieder sehr heiß, mit Tageshöchstwerten über 30°C. Beginn einer Hitzewelle, die bis zum 10. Juli andauert.
10. 7. Wilna mittags noch 30°C, dann aber schweres Gewitter mit kräftigen Windböen und heftigem Regen in Wilna. Napoleon selbst wird dabei zu Pferde vor den Toren Wilnas bei einer Truppenparade davon erwischt und bis auf die Haut durchnässt. In den Folgetagen deutlicher Temperaturrückgang.

Die Ereignisse am 28. 6. um das Wilnaer Unwetter sollen hier noch ausführlicher dargestellt werden: Der belgische Captain Francois Dumonceau erreicht mit seiner Brigade von Lanzenreitern am Nachmittag Wilna und wird dort im mit einer Mauer umgebenen Garten eines Klosters mit seinen Leuten zum Biwakieren untergebracht. Am Abend bricht dann ein heftiges Gewitterunwetter über Wilna herein. Es regnet sehr stark und anhaltend; sehr bald schon hat sich der Klostergarten in einen regelrechten Sumpf verwandelt. Die Männer versinken knietief in diesem Schlamm; sie haben kein Stroh, um sich ein auch nur halbwegs trockenes Lager zu bereiten, kein irgendwie gearteten Regenschutz und kein Holz, um Feuer zu machen. Im Laufe der Nacht kommt dann zu dem anhaltenden Starkregen aber noch heftiger, stürmischer Wind dazu. Kaum fähig, sich auf den Beinen zu halten, kauern die Männer sich auf ihren im Schlamm ausgebreiteten Mäntel zusammen. Der Sturm reißt vom Klosterdach Ziegel und Teile der Schornsteine ab, die dann auf die Männer fallen. Einziger, völlig ungenügender Regenschutz sind ihre Umhänge; ihre Waffen und Ausrüstung liegen verstreut im Schlamm. Völlig durchnässt und bei nun deutlich fallenden Temperaturen fangen sie an vor Kälte zu zittern. Aber noch schlimmer trifft diese Kombination aus langanhaltendem Starkregen, Kälte und fehlendem Schutz ihre Pferde: mehrere sterben schon in dieser Nacht, weitere an den Folgen im Laufe des nächsten Tages. Erst gegen Morgen flaut der Wind ab und lässt der Regen nach.

Tatsächlich sind sich alle Quellen einig, dass diese schlimme Unwetternacht verheerende Folgen für die Truppe hatte, vor allem für ihre ja überlebenswichtigen Pferde: die meisten Artilleriezüge verloren 25% ihrer Pferde; ähnlich hohe Verluste auch bei den Kavallerie-Einheiten. Insgesamt kamen mehr als 10000 Pferde um; zusammen mit den Verlusten der Versorgungseinheiten sind sogar bis zu 40000 tote Pferde möglich. (Allerdings sind sich die Quellen nicht einig darüber, ob dies die Verluste nur dieses einen Unwettertages waren oder doch eher die Gesamtverluste seit dem 23. 6.) Es starben aber auch eine Reihe von Soldaten in dieser fatalen Nacht, entweder durch Blitzschlag, direkte Sturmeinwirkung oder an Erschöpfung in Kombination mit Hunger und Kälte. So hat die napoleonische Armee schon in den ersten Tagen des Feldzugs eine nicht unerhebliche Schwächung ihrer Kampfkraft erlitten, und das ganz ohne irgendeine Feindeinwirkung!

Soweit das "Wettertagebuch" der napoleonischen Truppen! Von russischer Seite her konnte ich bislang leider nur wenige Angaben finden.


4. Wie zuverlässig sind die Angaben im "Wettertagebuch"?

Liest man sich dieses "Wettertagebuch" durch, so drängt sich eigentlich sofort die Frage auf: wie glaubwürdig sind die geschilderten Wetterphänomene? Vor allem natürlich die zahlreichen, immer als heftig beschriebenen Gewitterunwetter und da vor allem das extreme vom 28./29. Juni. Wird hier übertrieben? Leider sind mir keine Niederschlagsmessungen von Wilna aus dem Jahr 1812 bekannt; man muss sich also mit vergleichenden Untersuchungen behelfen. Auf dreierlei Weise ist das hier möglich: zum einen durch Vergleich mit einem dem Juni 1812 möglichst ähnlichen anderen, besser belegten Monat – dies wird im Zusammenhang der Wetterlagendiskussion für den Juni 1812 im nächsten Kapitel gemacht. Die zweite Methode ist pure Statistik: Wie oft treten solche Starkregenfälle im Juni in Wilna eigentlich auf, wenn überhaupt?

Regen11 Zusammenhang zwischen Tagestiefsttemperatur und gefallenem Niederschlag in Wilna, für alle Juni- (oberes Diagramm) und Juli-Tage (unteres Diagramm) im Zeitraum 1900 - 1998: jeder Tag mit Niederschlag ein blauer Punkt, dessen Position durch die Menge des Niederschlags (horizontale Achse) und die Tiefsttemperatur dieses Tages (vertikale Achse) festgelegt wird.

Abb. 4 zeigt für Wilna für das 20. Jahrhundert und die Monate Juni und Juli (da es im Juli 1812 schon am ersten Tag mit den Gewitterunwettern weitergeht, kann man den Juli gleich hier mitbehandeln) den Zusammenhang zwischen gefallener Niederschlagsmenge und Tagestiefsttemperatur, für jeden Tag der beiden Monate (also insgesamt 2970 Tage für Juni und 3069 Tage für Juli). Die Tiefsttemperatur wurde deshalb hier als Parameter gewählt, um die häufig vorkommende Aussagen vom "kalten Regen" bzw. den empfindlich kalten Nächten gerade nach solchen Unwettern gleich mit zu überprüfen. Man sieht im oberen Diagramm sofort: im 20. Jahrhundert (1999 fehlt allerdings) waren rund 62 mm das höchste, was in Wilna an nur einem Tag vom Himmel kam – und im Juli liegt dieser Höchstwert bei etwa 63 mm. Das sind schon große Mengen, die, wenn sie innerhalb weniger Stunden fallen (wie in der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 1812), große Schäden (Überflutungen) anrichten können. Im Juni allerdings, auch leicht zu sehen, sind solche Starkregentage ziemlich selten; im Juli kommen sie schon deutlich öfter vor, aber keineswegs häufig! Im Juni hängt die Niederschlagsmenge offensichtlich nicht von der Tiefsttemperatur der Tage mit Regen ab; im Juli aber sieht man, dass Tage mit Starkregen > 20 mm bevorzugt in dem Temperaturbereich zwischen 10 und 16°C auftreten. In beiden Monaten finden sich aber auch Starkregentage, die bei Tiefsttemperaturen unter 10°C auftreten – für völlig durchnässte Soldaten ist eine an den Regen sich anschließende kühle Nacht mit Temperaturen um oder unter 10°C natürlich sehr kalt und belastend, wenn man im Freien campieren muss und wegen des Regens vielleicht auch kein Feuer möglich ist. Und für Juni zeigt das obere Diagramm sogar viele Regentage mit Temperaturen um die 4°C oder sogar noch tiefer! D.h. die Kombination aus kräftigen Regenfällen mit anschließenden feucht-kalten Nächten kommt in der Wilnaer Gegend durchaus vor, sowohl im Juni wie auch im Juli. Die Frage ist nur: wie häufig?

Folgende Tabelle gibt deshalb für Wilna für den Zeitraum von 1900 bis 1998 die Häufigkeiten von Tagen mit starkem (mehr als 20 mm Niederschlag), sehr starkem (mehr als 30 mm) und extremem (mehr als 50 mm) Niederschlag an sowie die Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Laufe eines Junis bzw. Julis mindestens ein solcher Tag eintritt (Spalten "P(N>20 mm)", "P(N>30 mm) und "P(N>50 mm)") – schließlich war die Armee ja den ganzen Juni/Juli in diesem Gebiet unterwegs. Und um den Sommer gleich ganz abzuhandeln, was diese Frage betrifft, sind auch noch die August-Zahlen beigefügt sowie die Bilanz für den gesamten Sommer.

Juni Juli August Sommer
Tage mit mehr als 20 mm 56 62 65 183
Tage mit mehr als 30 mm 14 28 26 68
Tage mit mehr als 50 mm 1 10 6 17
P(N>20 mm) 43,3 % 46,5 % 48,1 % 85,0 %
P(N>30 mm) 13,2 % 24,7 % 23,2 % 49,8 %
P(N>50 mm) 1,0 % 9,6 % 5,9 % 15,8 %

Die Frage der Wahrscheinlichkeit solcher Unwetter nur auf einen bestimmten Sommermonat zu beschränken, ist hier nicht angebracht, da der Feldzug (inklusive der Aufmarschphase) ja über den ganzen Sommer ging. Und betrachtet man folglich den gesamten Sommer, so zeigt die Tabelle, dass man fast immer (85% Eintrittswahrscheinlichkeit) damit rechnen muss, sich an mindestens einem Tag einen Starkregen einzuhandeln. (Und mit 56% Wahrscheinlichkeit sind es mindestens zwei Tage) Aber ein Extremregentag mit mehr als 50 mm Niederschlag, so wie es die schlimme Nacht vom 28./29. allen Schilderungen nach gewesen sein muss, tritt nur mit rund 16 % Wahrscheinlichkeit einmal im Verlauf eines Sommers auf – oder anders ausgedrückt: bei etwa jedem sechsten Russland-Feldzug wären Napoleons Truppen von solch einem Unwetter getroffen worden. Also schon einiges Pech, dass es gerade bei seinem ersten (und letzten) Russland-Feldzug passierte... Aber keineswegs Riesenpech, denn so selten ist es nun wiederum auch nicht!

Extreme Regenfälle wie die von Wilna sind also möglich und ihre Auswirkungen oft auch so schlimm wie geschildert. Gerade letzteres kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, denn im August 2002 erlebte ich, zwar nicht in Wilna, sondern im Saarland, eine Unwetternacht, die große Ähnlichkeit mit der Nacht vom 28./29. Juni 1812 in Wilna hatte. August 2002 war ja der Monat mit dem verheerenden Elbhochwasser (ausgelöst durch die Regenfälle vom 11. - 13. 8.), aber "meine" Unwetternacht fand am 27. statt und hatte nichts damit zu tun. Die Wetterlage war eigentlich unspektakulär, ein nicht sonderlich starkes Tief zog von S nach N über Deutschland hinweg, hatte aber etliche sehr giftige Gewitterunwetter im Gepäck. Um 2 Uhr nachts waren die ersten Blitze zu sehen, und innerhalb einer Stunde war dann das Unwetter voll da: heftiges Blitzgewitter, extrem starker Regen – und das hielt die ganze Nacht über an! Das Gewitter endete erst um 6 Uhr, der Starkregen hielt bis 7 Uhr an (alle Zeiten MEZ). In dieser Nacht fielen, im eigenen Garten gemessen, 90 mm Regen (3 km weiter östlich fielen sogar 115 mm), eine enorme Menge! Die Auswirkungen waren entsprechend: 30 cm hoch stand das Wasser in unserem Keller, aber damit waren wir noch gut bedient: in den umliegenden Orten wurden viele Keller bis zur Decke überflutet, zahlreiche Straßen wurden unterspült, die Bäche traten massiv über die Ufer. Tja, und wie Captain Dumonceau im Klostergarten verbrachte ich einen Großteil der Nacht im Freien, in dem (letztendlich sogar erfolgreichen) Bemühen, den verstopften Kanal wieder freizubekommen, der durch den Rückstau zur Überflutung unseres Kellers führte. Am Morgen war man trotz Regenjacke natürlich total durchnässt und vollkommen gerädert! Und gefroren hatte ich auch, ein regelrechter Schüttelfrost. Da der Kanal aber wieder frei war, konnte man glücklicherweise ein warmes Bad nehmen – etwas, was Dumonceaus Männern definitiv nicht möglich war!


5. Die Wetterlagen im Monatsverlauf

Karte1 Änderungen des Luftdrucks von Tag zu Tag im Juni 1812 für London, Mailand und Stockholm

Der tatsächliche Wetterablauf im Juni 1812 war mit Sicherheit nicht so statisch wie es die in den Kapiteln 1 und 2 gezeigten mittleren Monatswerte suggerieren. Tatsächlich schwankt der Luftdruck an verschiedenen europäischen Stationen im Laufe des Monats doch recht deutlich – Abb. 5 zeigt die Luftdruckveränderungen für London, Mailand und Stockholm. Diese drei Stationen bilden über Europa quasi ein Dreieck, dass den Norden, Westen und Süden des Kontinents überdeckt und deshalb gut für die Rekonstruktion des Europawetters zu gebrauchen ist. Beim Betrachten der drei Druckkurven fällt sofort auf, dass die von London und Stockholm bis zur Monatsmitte ziemlich gegenläufig verlaufen und dann etwa bis zum Monatsende halbwegs parallel verlaufen, allerdings mit einer Phasenverschiebung von etwa einem Tag. In Mailand herrscht fast den ganzen Monat über recht hoher Luftdruck ohne größere Schwankungen, aber zum 28. hin fällt der Luftdruck dann doch auf einen Monatstiefstwert. London erreicht diesen Tiefstwert schon am 26., Stockholm einen Tag später, am 27. Tatsächlich geht bei vielen europäischen Stationen (siehe Diagramme unten) im Zeitraum 26. - 28. 6. der Luftdruck spürbar zurück.

Stockholm Tägliche Änderungen des Luftdrucks und der Temperatur im Juni 1812 in Stockholm

Sehr hilfreich ist es, sich aber auch das Wetterdiagramm von Stockholm näher anzusehen. Deshalb wird es als Abb. 6 gezeigt (obwohl es weiter unten als Bestandteil der Wetterdiagramm-Sektion nochmals eingebaut ist). Sehr markant die Luftdruckeinbrüche am 13., 20. und 25. des Monats, während das erste Monatsdrittel noch von hohem Luftdruck dominiert ist. In diesem Zeitraum liegen die Temperaturen auch deutlich über den langjährigen Normalwerten (die dünne blaue Linie im Diagramm); ab dem 8. aber gehen die Temperaturen dann deutlich zurück und bis Monatsende herrscht ziemlich wechselhaftes Wetter vor, wie man gut an dem ständigen Auf und Ab sowohl des Luftdrucks als auch der Temperaturen erkennen kann. Gerade die letzten 5 Tage des Monats fallen dabei besonders kühl aus, am kühlsten der 27. In St. Petersburg hingegen findet vom 20. - 24. eine kurze Hitzewelle statt (siehe Diagramm in der Diagramm-Sektion weiter unten), wovon in Stockholm keine Rede sein kann. Ab dem 25. aber geht auch in St. Petersburg die Temperatur deutlich zurück. Auch zwischen Kaunas und Wilna sind die Tage vom 20. - 24. sehr heiß, wie man ja aus den Berichten der napoleonischen Soldaten weiß (siehe Wettertagebuch). In Mitteleuropa jedoch sind diese Tage wechselhaft: erst warm, dann kühl, dann wieder warm, wobei es immer wieder zu teils kräftigen Regenfällen kommt (siehe Diagramme von Augsburg, Prag, Wien). In London bleibt es, wie überhaupt die ganze zweite Monatshälfte über, recht kühl.

Glücklicherweise sind aber für das gesamte Jahr 1812 aus Wilna die Tagesmitteltemperaturen überliefert [16]. Tatsächlich wurden auch Höchst- und Tiefstwerte sowie das Tagesmittel des Luftdrucks aufgezeichnet und mitgeteilt [17], aber anscheinend wurden diese Daten nicht publiziert. Um die wahrscheinlichen Tmax- und Tmin-Werte aus den Tagesmittelwerten von 1812 zu ermitteln war daher eine statistische Analyse notwendig (Details dazu siehe Hauptseite). Das Ergebnis ist in nachfolgender Abb. 7 zu sehen:

Wilna-1812-Juni Tägliche Höchst- und Tiefstwerte der Temperatur im Juni/Juli 1812 in Wilna.
Ein Vergleich der Diagramm-Temperaturen mit dem "Wettertagebuch" zeigt gute Übereinstimmung. Wobei allerdings just der Unwettertag 28. Juni eine gewisse Diskrepanz zeigt, was die Höchsttemperaturen betrifft: laut "Wettertagebuch" wurde es vor dem Unwetter noch richtig heiß, während das Diagramm-Tmax allenfalls 22-23°C hergibt (die mittlere T-Unschärfe von 1,3°C schon berücksichtigt). Aber wegen des speziellen Tagesablaufs ist aus dem Tmittelwert kein verlässlicher Tmax-Wert zu berechnen - den Angaben des "Wettertagebuchs" ist in diesem Falle daher mehr Glauben zu schenken! Volle Übereinstimmung aber wieder über die Nacht zum 30., die als sehr kühl beschrieben wurde - laut Tmin-Rekonstruktion lag die Tiefsttemperatur in jener Nacht nur zwischen 6 und 4°C, was für die von den vielen Regenschauern durchnässten Soldaten (und Pferde), die ja oft im Freien campieren mussten, sicher sehr schlimm war, zumal es auch sehr windig war.

Die Wetterlage, die recht gut zu diesen Wettermeldungen passt, ist ein Tiefdruckkomplex über Nordwesteuropa, dem meist hoher Luftdruck über Südosteuropa entgegensteht. Abb. 1 zeigt für das Monatsmittel ja schon diese Lage, aber in der zweiten Hälfte des Monats ist diese NW-SO-Teilung noch deutlich prononcierter. Zu dieser Teilung passen auch die Bewölkungsverhältnisse: herrscht über London meist trübes Wetter vor, ist Augsburg schon deutlich sonniger, aber auch mit vermehrtem Schaueraufkommen (die hellblau markierten Tage im Diagramm sind solche, die sonnig starten und in denen sich dann Regenschauer entwickeln) und Wien schließlich zeigt den höchsten Sonnenanteil. Von SW nach NO läuft somit eine Trennlinie durch Europa, die den kühleren NW vom wärmeren SO trennt (Abb. 2 zeigt dies ja recht deutlich); entlang dieser Trennlinie, die sich im Monatsverlauf (vor allem der zweiten Hälfte) immer wieder vor und zurück verschiebt, kommt es gehäuft zu schauerartig verstärkten Niederschlägen und Gewittern, bedingt durch den häufigen Wechsel bzw. den Zusammenstoß kühler und warmer Luftmassen. Das erste Diagramm der Abb. 8 zeigt am Beispiel des Junis 1954 die Großwetterlage, wie sie in etwa am 27. 6. 1812 über Europa zu finden war.

Wkarte1 Wetterlage vom 27. 6. bis 29. 6. 1954 (Temperaturkontrast zwischen dem NW und dem SO allerdings verstärkt, um ihn den Verhältnissen vom Juni 1812 anzupassen); ähnlich dürfte die Wetterlage vom 27. bis 29. Juni 1812 über Europa ausgesehen haben.

Ein ausgedehntes Tiefdrucksystem liegt mit seinem Kern über Skandinavien; sein Einfluss reicht im Osten bis Nordrussland, im Westen bis Nordfrankreich. Seine kühlen Luftmassen sind auch schon weit nach Deutschland vorgedrungen: meldete Augsburg am 26. noch 30°C, waren es am 27. nur noch knapp 15°C während am gleichen Tag im Wien, noch unter dem Einfluss der kontinentalen Warmluft, noch 30°C gemessen wurden (tatsächlich zeigt die Wetterkarte für Süddeutschland um gut 5°C zu hohe Temperaturen, dafür weiter westlich etwas zu tiefe Temperaturen – 100%ige Analogie gibt es beim Wetter halt nie). Das Baltikum und Weißrussland liegt genau im Grenzbereich zwischen kühler und heißer Luft. Einen Tag später, am 28., hat sich das Tief Richtung Nordosten ausgedehnt und die kühlere Luft ist weiter nach Süden vorgestoßen – am 28. wird die heiße Luft aus Wien verdrängt. Im baltisch-weißrussischen Raum aber liegt immer noch die kontinentale Warmluft, ihr Zustrom verstärkt sich dort sogar; aber gegen Abend zieht aufgrund der NO-Verlagerung des skandinavischen Tiefs seine Kaltfront über diese Gegend und verdrängt die heiße Luft von dort – das ist die Lage, die das Unwetter in der Nacht zum 29. auslöst. Am 29. liegen das Baltikum und das (nord)westliche Weißrussland voll unter der kühlen Luft, aber – wie auf der dritten Wetterkarte gut zu sehen – die heiße Luft ist nicht weit entfernt, und tatsächlich geht es schon am 1. Juli weiter mit Hitze, Gewittern und erneuter Abkühlung. Der 28. und 29. bringen in vielen Teilen Mitteleuropas ziemlich schlechtes und kühles Wetter: in Prag z.B. am 28. kräftiger Regen, im Augsburg an beiden Tagen regnerisch und geradezu kalt mit Tagestemperaturen nur um die 12°C. Seit dem 28. steigt der Luftdruck aber über Großbritannien an – ein Keil des Azorenhochs schiebt sich heran. Und am 29. kann London dann davon profitieren: die Temperaturen steigen (wenn auch nur auf moderate 17°C) und der Tag ist sehr sonnig.

Wkarte1 Tageshöchst- und Tiefstwerte sowie die Niederschlagsmenge in Wilna für jeden Tag vom 1. Juni bis 31. Juli 1954

Es soll hier jetzt noch gezeigt werden, wie sich Temperaturen und Niederschläge im Juni/Juli 1954 in Wilna verhielten – als typisches Beispiel für eine Großwetterlage, wie sie im Monatsmittel 1812 vorlag (siehe Abb. 1); Juni 1954 deshalb, weil seine Luftdruckverteilung der von 1812 sehr ähnlich war. (Für den Juli liegt die Sache zwar etwas anders, aber das ist Thema der Juli-Seite.) Abb. 9 zeigt für jeden Tag von Juni und Juli 1954 die Tageshöchst- und Tiefstwerte sowie die Niederschlagsmenge. Bei der Temperatur sieht man ein permanentes Auf und Ab, heiße Tage wechseln sich ab mit moderat warmen Tagen; mehrfach fällt aber die Temperatur nachts unter 10°C, besonders tief (5°C) Anfang Juni und Ende Juli (8°C). Immer wenn die Temperatur mal die 30°C-Marke erreichte oder überstieg, kam prompt am nächsten Tag ein Temperaturrückgang, mal nur klein, mal aber auch ein Absturz um 10°C. Zahlreiche Tage mit Niederschlag gibt es in diesem Zeitraum, einige davon mit recht großen Niederschlagsmengen. Einsamer Spitzenreiter der 12. Juli mit 63 mm Regen – das ist einer der seltenen Tage mit Extremregen wie in der Nacht zum 29. 6. 1812! Am 28./29. 6. 1954 fielen aber nur wenige mm – soviel Analogie wäre auch gar zu unwahrscheinlich gewesen. Vielmehr kann man den 12. 7. 1954 dafür heranziehen.


6. Wetterdiagramme

Richtig "erfühlbar" wird das Wetter jenes Juni 1812 aber erst durch den Gang der Witterung für jeden Tag des Monats an einen Ort: wie hoch die tägliche Temperatur war, ob es geregnet hat, wie bewölkt es war, woher der Wind wehte usw. Die folgende Tabelle zeigt für 11 Orte solche Wetterdiagramme (ein Klick auf jedes Diagramm öffnet ein neues Fenster, in dem eine größere Version des Diagramms gezeigt wird). In den gezeigten meteorologischen Parametern unterscheiden sich die Diagramme teilweise voneinander – denn je nach Station liegen unterschiedliche Beobachtungen vor: mal nur die mittlere tägliche Temperatur, dann wieder Temperaturen um 8 Uhr und um 15 Uhr, mal wurde der Luftdruck gemessen, mal nicht usw. Die Anordnung der Orte in der Tafel erfolgt alphabetisch, von links nach rechts, dann nächste Zeile usw.

Augsburg Berlin Breslau
Wien London Mailand
St. Petersburg Prag Stockholm

Bei einem Mausklick auf ein Diagramm wird es in einem separaten, an die Bildschirmgröße angepassten Fenster geöffnet. In den meisten Diagrammen ist auch für jeden Tag des Monats die Tagesmitteltemperatur eingetragen, und zwar immer gemittelt über einen 30-Jahres-Zeitraum. So kann man sofort sehen, wie sehr die an einem bestimmten Tag gemessene Temperatur vom langjährigen Mittelwert für diesen Tag abweicht. Die 30-Jahresperiode wurde dabei so gewählt, dass sie möglichst nahe der heutigen Zeit zu liegen kommt (von Station zu Station schwankt der Zeitraum etwas).


8. Besondere Wetterereignisse im Juni 1812

Hier werden die "üblichen" besonderen Ereignisse, wie starke Stürme, verheerende Überschwemmungen, Hitze- und Kältewellen, Dürren, zerstörerischer Hagelschlag, enorme Schneefälle usw. europaweit aufgelistet, in Form einer Tageschronologie, soweit möglich. Gibt es in einem Monat Ereignisse ohne konkret zuordenbares Datum, werden sie unter dem Monatsnamen am Ende der Liste eingetragen. Dank dieser Liste erhält man einen schnellen Überblick, was wann wo in Europa passiert ist.

8. 6.: In Avignon wurden 35,6°C gemessen – die höchste Temperatur des Sommers dort
11. 6.: In London wurden 21,6°C gemessen – die höchste Temperatur des Sommers dort
14. 6.: In Paris wurden 33°C gemessen – die höchste Temperatur des Sommers dort
15. 6.: In Augsburg wurden 34,5°C gemessen
21. 6.: In der Nacht zum 22. starkes Gewitter in Berlin
27. 6.: Schweres Hagelunwetter im Raum Krefeld und Neuss: Hagel lag "3 Fuß hoch", mit Hagelkörnern teilweise so groß wie Hühnereier. Auftreten eines Tsunamis in Marseille: morgens um 7 Uhr zog sich das Wasser aus dem Hafenbecken fast vollständig zurück, so dass der Grundschlamm sichtbar wurde. Nach kurzer Zeit kehrte das Wasser aber mit voller Gewalt wieder zurück, überschwemmte die Kaimauern und drang bis zu den Wohnhäusern vor; es blieb eine längere Zeit stehen, unter heftigem Schwanken.
Juni: In Bayern und Ost-Österreich zahlreiche Gewitter und Platzregen, teilweise mit Hagel. In Ungarn richtete ein Hagelunwetter schwere Verwüstungen an (Hagelkörner groß wie Hühnereier).





BILDNACHWEIS:

Bild 1: W. Rammacher, unter Benutzung von Daten aus [9]

Bilder 2, 3: W. Rammacher, unter Benutzung von Daten aus [4], [6]

Bild 4: W. Rammacher, unter Benutzung von Daten aus [4]

Bild 5: W. Rammacher, unter Benutzung von Daten aus [1], [11]

Bild 6: W. Rammacher, unter Benutzung von Daten aus [1]

Bild 7: W. Rammacher, unter Benutzung von Daten aus [16]

Bild 8: W. Rammacher, unter Benutzung von Daten aus [12]

Bild 9: W. Rammacher, unter Benutzung von Daten aus [1]

Wetterdiagramme: W. Rammacher, unter Benutzung von Daten aus [1], [3], [4], [5], [8], [11], [13]


BENUTZTE LITERATUR / ONLINE-QUELLEN:

[1] Camuffo,D., Jones, P. (Hrsgb.): "Improved Understanding of Past Climatic Variability from Early Daily European Instrumental Sources", Kluwer Academic Publishers, 2002

[2] Cornes, Richard C.: "Early Meteorological Data from London and Paris", Thesis, University of East Anglia, 2010

[3] Das Klima von Berlin (II) – Temperaturverhältnisse , Abhandlungen des Meteorologischen Dienstes der DDR Nr. 103 (Band XIII), Akademie-Verlag, Berlin 1971

[4] European Climate Assessment & Dataset (ECA&D)

[5] Galle, J. G. (Hrsgb.): "Grundzüge der schlesischen Klimatologie", Breslau, 1857

[6] GHCN-Klimaarchiv

[7] Gronau, Karl Ludwig , in "Der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin Magazin für die neuesten Entdeckungen in der gesamten Naturkunde" (Berlin 1813), S. 243 - 249

[8] Littrow, Carl von: "Meteorologische Beobachtungen an der K. K. Sternwarte Wien von 1775 bis 1855", Band 3, Wien 1862

[9] Luterbacher, J., et al.: "Sea Level Pressure Reconstructions, Eastern North Atlantic and Europe", 2001, IGBP PAGES/World Data Center A for Paleoclimatology, Data Contribution Series #2001-086. NOAA/NGDC Paleoclimatology Program, Boulder CO, USA.

[10] Luterbacher, J., et al.: "Reconstruction of Sea Level Pressure fields over the Eastern North Atlantic and Europe back to 1500", Clim. Dyn., 18 (2002), S. 545 - 561

[11] Meteorological Journal , in: "Philosophical Transactions of the Royal Society London", 1813, Vol. 103, S. 1 - 26

[12] NCEP/NCAR Reanalysis 1

[13] Stark, Augustin: "Meteorologische Beobachtungen – 1. Jahrgang 1812", Augsburg 1813

[14] CRU Time Series, University of East Anglia Climatic Research Unit (CRU)

[15] Larrey, Dominique-Jean: "Memoires de chirurgie militaire et campagnes", Tome 4, Paris 1817

[16] E. Wahlen: "Wahre Tagesmittel und tägl. Variation der Temperatur an 18 Stationen des russischen Reiches", St. Petersburg, 1886

[17] E. Leyst: "Katalog der meteorologischen Beobachtungen in Russland und Finnland", St. Petersburg, 1887

(Für die benutzten nicht-meteorologischen Quellen siehe Literaturverzeichnis der Hauptseite)





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Letzte Änderung der Seite: September 2018

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