Vulkaneruptionen und Klimaschwankungen
Wie wir im letzten Kapitel gesehen haben, gibt es neben 1816 noch eine ganze Reihe weiterer Jahre mit global sehr kühlen Sommern. Kann man auch diese mit Vulkanausbrüchen in Verbindung bringen? Am drängendsten stellt sich diese Frage natürlich beim Sieger der Baumringreihe, also für das Jahr 1601. Mit einer Sommer - Temperatur - Anomalie von 0,81 K weist dieses Jahr 0,3 K mehr Anomalie auf als das zweitplatzierte, 1816. Das ist gewaltig, wenn man bedenkt, daß der zweite und der 30. Platz in dieser Baumringliste nur durch 0,25 K Anomaliedifferenz getrennt sind! 1601 liegt aber mal gerade 400 Jahre zurück - ein heftiger Vulkanausbruch zu dieser Zeit sollte sowohl in den geologischen Spuren wie auch in den mündlichen bzw. schriftlichen Überlieferungen (Zeitzeugen, vielleicht sogar Augenzeugen?) feststellbar sein.
Tatsächlich
gibt es einen geeigneten Kandidaten aus jener Zeit: im Jahre 1600
ereignete sich der Ausbruch des Huaynaputina, eines Anden-Vulkans im
Süden Perus, etwa 100 km westlich des Titicacasees gelegen.
Heutzutage ist dieser Vulkan 4500 m hoch und besitzt drei Krater, die
sich bei der Eruption von 1600 bildeten . Der Ausbruch begann am 19.
Februar und zog sich bis Mitte März hin. Ein Gebiet von etwa
4900 km² rund um den Vulkan wurde weitestgehend zerstört,
und noch in 200 - 500 km Entfernung fand spürbarer Aschenfall
statt [3], [17]. Der Materialausstoß wird auf mindestens 19 km³
geschätzt [3]. Damit bleibt er allerdings weit hinter dem
Auswurf des Tambora-Ausbruchs oder der Krakatau-Eruption zurück
(siehe Kapitel 1) - aber diese Angaben sind ja Mindestmengen, der
tatsächliche Auswurf könnte weit größer gewesen
sein. Wesentlicher für die Klimawirksamkeit eines Ausbruchs als
der schiere Massenauswurf ist aber die in die Stratosphäre
geblasene Sulfatmenge (siehe wiederum erstes Kapitel). Bisher konnte
der Huaynaputina auf diesem Gebiet nichts besonderes bieten,
jedenfalls tritt seine in den grönländischen Eisbohrkernen
gemessene Sulfatmenge nicht prominent in Erscheinung - siehe dazu
Bild 33 weiter unten. Neuere Abschätzungen unter Einbeziehung
von Eiskerndaten auch aus der Antarktis und genauerer Datierungen der
grönländischen Messungen korrigieren aber die Sulfatmenge
nach oben: im globalen Mittel nimmt man deshalb eine Menge von etwa
70 Millionen Tonnen in die Stratosphäre befördertes Sulfat
als realistisch an [3] - genügend, um klimawirksam zu sein, aber
weniger als die Hälfte der 200 Millionen Tonnen des
Tambora-Ausbruchs.
In der Multi-Proxy-Graphik (siehe Bild 27, voriges Kapitel) belegt 1601 zumindest für die Nordhalbkugel auch Platz 1 der kältesten Sommer der letzten 1000 Jahre, und ebenso in der Baumringstatistik (letzten 600 Jahre), dort mit großem Abstand vor 1816. Oder anders ausgedrückt: der Tambora-Ausbruch war - insgesamt und auch was klimarelevante Gase betrifft - deutlich stärker als der Huaynaputina-Ausbruch, aber letzterer bewirkte dafür eine markant stärkere globale Abkühlung, jedenfalls wenn man den Proxy-Daten folgt. Was sagen aber nun menschliche Quellen zu dem Jahr 1601? Laut Glaser [18] waren sowohl 1600 als auch 1601 in Mitteleuropa kalte, frost- und schneereiche Jahre, wobei 1601 noch schlechter als 1600 ausfiel: so wurde der Sommer trocken und kalt, so kalt, dass schließlich das Sommergetreide erfror und eine schlechte Ernte eingeholt wurde. . . In der Summation war 1601 erneut ein durch und durch kaltes und schneereiches Jahr.
Bei
Pfister werden für die Schweiz allein vier Monate des Jahres
1601 als sehr kalt aufgelistet (1600 zwei und 1602 nur
ein Monat; 1816 kommt ebenfalls auf vier sehr kalte
Monate). Vor allem der April 1601 fiel in der Schweiz negativ auf:
zuerst war es ungewöhnlich warm, dann aber brach bis Monatsende
eine Kältewelle ein - Pfister schließt auf eine negative
Temperaturabweichung von 5-6 K. Lamb [19] und Rudloff hingegen
erwähnen 1600/1601 nicht gesondert - und das liegt darin
begründet, daß 1601 sicherlich ziemlich kalt war, was aber
zu jener Zeit nichts besonderes darstellte, liegt um 1600 herum doch
der Höhepunkt der Kleinen Eiszeit, der weltweit
kältesten Witterungsphase der (mindestens) letzten 1000 Jahre.
Vor diesem Hintergrund könnte man auch verstehen, warum der im
Vergleich zum Tambora-Ausbruch deutlich schwächere des
Huaynaputina doch noch massivere Abkühlung bewirken konnte: er
fand in einer schon ohne Vulkanausbrüche global kalten Periode
statt und könnte daher mit weniger Aufwand als
später der Tambora mehr erreicht haben.
Allerdings
taucht in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob nicht vielleicht eine
über Jahrzehnte hinweg stark erhöhte Vulkantätigkeit
die Kleine Eiszeit (mit)verursachte (und die zu jener
Zeit nachweislich geringe Sonnenaktivität daher eher von
minderer Bedeutung war). Auch für die Serie schlechter, kalter
Sommer zwischen 1808 und 1818 kämen neben dem Tambora noch
andere in jenen Jahren sich ereignende Vulkanausbrüche in Frage,
so vor allem ein Ausbruch im Jahre 1809, nachweisbar in den
Eisbohrkernen, aber bisher geographisch noch nicht identifiziert (ein
sog. unbekannter Ausbruch). Die nebenstehende Graphik
zeigt für jene Jahre um 1815 die Sulfat-Meßergebnisse
eines Eisbohrkerns aus Zentralgrönland (11); neben der
1816er-Spitze ist eine zweite gut ausgeprägte Häufung kurz
vor 1810 zu erkennen. Die Sulfatmenge dieses Ausbruchs beläuft
sich im Mittel aller Bohrkerne auf etwa 30 - 40% der Menge des
Tambora-Ausbruchs [7]. Wenn man sich nun aber die Liste bekannter
starker Ausbrüche der letzten Jahrhunderte ansieht, dazu noch
die aus Eisbohrkernen gewonnen Daten, die eine ganze Reihe solcher
bisher unbekannter Ausbrüche enthalten, dann scheint
es leicht möglich, so ziemlich jede globale Temperaturanomalie
der letzten 1000 Jahre der Vulkantätigkeit in die Schuhe zu
schieben - vor allem, wenn man den Daten eine gewisse zeitliche
Unschärfe zubilligt. Die Gefahr der Überinterpretation ist
hier groß. Umgekehrt aber, wenn dies wirklich der Fall wäre,
ist die von mir im dritten Kapitel angewandte Methode,
Temperaturanomalien bestimmter Jahre nur aus den
30-Jahres-Mittelwerten eben des gerade interessierenden Zeitraums zu
berechnen, fragwürdig. Denn die Begründung war ja, dass man
durch Vulkanausbrüche verursachte Temperaturabweichungen nur in
Relation zu der in diesen Jahrzehnten herrschenden
Temperatur-Grundtendenz sehen kann. Wenn nun aber dieser ganze
Zeitraum temperaturmäßig durch Vulkanausbrüche
geprägt ist, fällt die durch einen einzelnen Ausbruch
bewirkte Temperaturanomalie nicht mehr sonderlich aus dem Rahmen. Im
Falle Tambora/1816 zeigen die Meßreihen der europäischen
Stationen nur teilweise ausgeprägte negative Anomalien für
1816 , teilweise aber auch Anomalien ähnlich oder nur wenig
größer als die anderer Sommer dieses Zeitraums (siehe
Kapitel 3). Die Frage, welche der beiden Deutungen zutrifft, bleibt
damit vorerst ungeklärt. Eine dritte Möglichkeit wäre,
dass eine Serie starker Vulkanausbrüche das globale Klima
insgesamt auf eine kühlere Schiene schiebt, ohne dass unbedingt
jeder dieser Einzelausbrüche selbst prominent durch eine große
Abkühlung in Erscheinung tritt - und dies ist übrigens auch
eine der (vielen) Erklärungen für das Entstehen der
Kleinen Eiszeit im späten Mittelalter.
Aber wie sehen nun die Messungen der Sulfatkonzentration in Eisbohrkernen für die letzten Jahrtausende aus? Die folgende Abbildung (Bild 32) zeigt die aus einem der grönländischen Bohrkerne gewonnenen Ergebnisse:
Man
kann nun diese Daten vergleichen mit den kühlen Jahren/Sommern,
wie sie aus der Baumring-Tabelle und dem Multi-Proxy-Diagramm (siehe
voriges Kapitel) folgen. Ganz einfach ist dies aber nicht, vor allem
wegen der zeitlichen Unschärfe der Bohrkerndaten und der
zeitlichen Verzögerung zwischen Vulkanausbruch und dem daraus
entstehenden Sulfateinschluß in das Eis. Der schon diskutierte
Huaynaputina-Ausbruch ist ein Beispiel dafür. Desweiteren zeigt
dieses Diagramm auch schön, daß nicht nur die ausgestoßene
Sulfatmenge darüber entscheidet, wie klimawirksam ein Ausbruch
ist, sondern auch die geographische Lage des Vulkans (siehe erstes
Kapitel): so lieferte z.B. die Laki-Eruption auf Island [20] noch
größere Sulfatmengen als der Tambora, aber die Jahre
1784/85 fallen global gesehen - nicht als sonderlich extrem
auf. (Lokal sieht das etwas anders aus, erinnert sei hier vor allem
an den in ganz Europa extrem kalten März 1785, der vielleicht
durch den relativ nahe gelegenen Laki-Ausbruch (mit)verursacht wurde
aber sicher ist dies keineswegs.) Denn weit nördlich oder
südlich erfolgende Ausbrüche zeigen wegen der dann
fehlenden globalen Verteilung der Asche und Sulfate vergleichsweise
geringe Klimawirkung. Für den Katmai-Ausbruch in Alaska, eine
der größten Eruptionen der letzten 200 Jahre, gilt
dasselbe. Und je näher ein Ausbruchsort der Bohrstelle liegt,
umso höher natürlich auch das dort dann abgelagerte
Material.
Die prominenten kalten Jahre wie 1816, 1601 und 1453 lassen sich jedenfalls recht gut den Ausbrüchen des Tambora, Huaynaputina und (vermutlich) Kuwae zuordnen, allesamt Vulkane, die zwischen 20° südlicher und nördlicher Breite liegen. Spannend wird es nun aber bei den Jahren mit hohen Sulfatkonzentrationen, denen man bisher keinen Vulkanausbruch zuordnen konnte. Vor allem das Jahr 1257 sticht hier ins Auge: der mit Abstand höchste Sulfatgehalt der letzten 2000 Jahre, aber der Verursacher ist unbekannt. Aus dem gemessenen Sulfatgehalt läßt sich durch Vergleich mit bekannten Ausbrüchen ein Gesamt-Massenauswurf von ca. 600 - 2400 km³ abschätzen [6], also das 4 - 16fache des Tambora-Ausbruchs! Der zugehörige Krater müßte dann einen Durchmesser zwischen 10 und 30 km besessen haben (die Tambora-Caldera von 1816 besaß rund 6 km Durchmesser). Auch nach 800 Jahren sollte ein Krater dieser Größenordnung noch auffindbar sein - das dies aber noch nicht geschehen ist, spricht für eine auch heute noch recht entlegene Region; geeignete Kandidaten nach [6] wären die entlegeneren Inseln von Indonesien, Melanesien, Polynesien und Mikronesien oder aber gar eine submarine Eruption.
Jedenfalls tritt das der mysteriösen Eruption folgende Jahr 1258 sowohl auf der Süd- wie der Nordhalbkugel in den Proxydaten als ein Jahr mit ziemlich kaltem Sommer auf (siehe Bild 26), wobei es auf der Nordhalbkugel Platz 7 in der Rangfolge kalter Sommer belegt, auf der Südhalbkugel aber Platz 3. Auch der Sommer des Folgejahres zählt noch zu den recht kalten (Platz 29 bzw. 34). Problematisch wird es aber wieder, wenn man die schriftlichen Überlieferungen jener Jahre betrachtet; einerseits gibt es Hinweise auf ungewöhnliche Wettermuster über Europa 1258 1259 [1], während Glaser [18] schreibt:
Es überwogen nun wieder die verregneten und kühlen Sommer, wie z.B. im Jahr 1252. Im Sommer 1253 herrschten 'ungestüme Winde', die Schäden [...] anrichteten, und 1255 war die kalte und nasse Witterung dafür verantwortlich, dass es einen sauren Wein gab. Ebenfalls zu niederschlagsreich war der Sommer 1256. [...] In fast all diesen Jahren konnten nur schlechte Ernten eingebracht werden. Gegen Ende des Jahrzehnts besserten sich die Sommerverhältnisse wieder. 1257 zählt zu diesen warmen Vertretern und nach vielen Quellenangaben [...] war 1259 ausgesprochen heiß und trocken, wobei es von März bis August keinen nennenswerten Niederschlag gab.
Dies alles für Mitteleuropa. Diese Quellen vermitteln geradezu das gegenteilige Bild der Proxydaten: eine Serie kühler, nasser Sommer fand just um 1257/8 herum ihr Ende und wich deutlich trockeneren und warmen Sommern! War Mitteleuropa in diesen Jahren eine lokale Wärmeinsel in einer ansonsten überwiegend zu kalten Welt? Oder aber ist der Zusammenhang zwischen Sulfatablagerungen / Baumringdaten und Temperaturen doch nicht (immer) eindeutig? Vielleicht sind aber auch nur die historischen Überlieferungen unvollständig oder gar falsch? Keine dieser drei Möglichkeiten kann man ausschließen, so daß man wie so oft nur feststellen kann: weitere Forschung ist hier vonnöten.
Nachfolgende Grafik vergleicht die aus Baumringmessungen gewonnenen Temperaturanomalien des Sommerhalbjahrs (April - September) der letzten 600 Jahre mit den Sulfatkonzentrationen, ermittelt aus einer grönländischen Eisbohrung (GRISP2), und kombiniert somit die Baumringtabelle aus dem vorhergehenden Kapitel mit Bild 32 (nur jetzt in besserer zeitlicher Auflösung):
Die
wichtigsten dieser Ausbrüche wurden weiter oben ja schon
diskutiert, mit Ausnahme des Katmai-Ausbruchs von 1912 und des Santa
Maria-Ausbruchs von 1902. Die Katmai-Eruption war, was die
Sulfatemission anbelangt, von ähnlicher Stärke wie der
Pinatubu-Ausbruch (rund 30 Millionen Tonnen). Der Katmai liegt aber
in Alaska, was somit wegen der ziemlich nördlichen Breite eine
eher geringe Klimawirksamkeit vermuten ließe. Nun zeigt das
Bild aber einen ziemlich kalten Sommer 1912, in der Rangfolge der
kältesten Sommer gemäß der Baumringtabelle immerhin
Platz 7. Wenn aber die Baumringdatierung 1912 wirklich
stimmt, kann der Katmai kaum dafür verantwortlich gewesen sein,
denn sein Ausbruch fand im Juni 1912 statt (12), höchst
wahrscheinlich zu spät im Jahr, um global noch den Sommer 1912
spürbar zu beeinflussen.
Den umgekehrten Fall stellt der Ausbruch des Santa Maria von 1902 dar; dieser Vulkan liegt in Guatemala auf 14,8° nördl. Breite, also ideal platziert für Klimawirksamkeit. Die ausgestoßene Sulfatmenge wird auf etwa 33 Millionen Tonnen geschätzt (wobei hierzu auch die im gleichen Jahr stattfindenden großen Ausbrüche des Mont Pelee und des Soufriere - beide in der Karibik, Kleine Antillen - beigetragen haben mögen), aber trotz der hohen vulkanischen Aktivität dieses Jahres verzeichnen die Baumringdaten für 1902/03 keine Temperaturanomalie [7]. Interessanterweise sprechen aber zumindest für Europa die instrumentellen Daten eine andere Sprache. Den Tabellen in Kapitel 2 und dem Anhang kann man entnehmen, dass der Sommer 1902 in der Spitzengruppe der kältesten europäischen Sommer der letzten 200 Jahre zu finden ist, und nach [8] ist er sogar der kälteste der letzten 500 Jahre gewesen! Allerdings ist der Ausbruch zumindest des Santa Maria daran völlig unschuldig, denn dieser fand im Oktober 1902 statt, kann also den vorangehenden Sommer definitiv nicht beeinflusst haben! Die Ausbrüche des Mont Pelee und des Soufriere (St. Vincent) hingegen fanden praktisch gleichzeitig im Mai 1902 statt - zumindest theoretisch wäre somit noch ein Einfluß auf das globale Sommerwetter möglich gewesen, aber diese beiden Ausbrüche waren doch deutlich schwächer als der nachfolgende des Santa Maria. Bemerkenswert ist nun aber, dass das nachfolgende Jahr 1903 eben nicht durch einen global zu kalten Sommer auffiel.
Unschwer kann man in obiger Grafik noch weitere Fälle erkennen, wo Sulfatkonzentration und Temperaturanomalie nicht recht zusammenpassen wollen. Das Beispiel 1902 zeigt aber schon hinreichend, wo das größte Problem liegt: schon ein Datierungsfehler von nur einem Jahr (egal ob bei den Bohrkernen oder den Baumringen) kann es unmöglich machen, einen Vulkanausbruch noch ursächlich mit einem kalten Jahr in Zusammenhang zu bringen - und eine zeitliche Unschärfe von einem Jahr ist, jedenfalls bei den Eisbohrkernen, das Minimum [6]. Kommt dann noch ein kaltes (Sommerhalb)Jahr hinzu (wie 1902), das zufällig zeitlich nahe einem großen Ausbruch liegt, sind Irrtümern Tür und Tor geöffnet. Man stelle sich vor, in 500 Jahren würde man diese Untersuchungen machen und stieße dabei auf 1902: großer Ausbruch des Santa Maria, verbreitet sehr kalte Sommer, alles klar! Eben nicht, aber im Abstand von Jahrhunderten kann man (falls keine menschlichen Überlieferungen vorliegen) nicht mehr erkennen, ob ein Ausbruch im Frühjahr oder aber erst im Spätherbst eines Jahres stattfand.
Um
Mißverständnissen vorzubeugen: ich will hier keineswegs
den Zusammenhang Vulkanismus - Klima in Abrede stellen! Problemfälle
wie die hier zuletzt diskutierten finden sich selbst in den besten
und solidesten Theorien. Sie zeigen aber, dass man sich vor
Überinterpretationen hüten muß (wie z.B. jeder
global kalte Sommer wurde durch Vulkanismus verursacht) und wie
schwierig es oft ist, Klimaanomalien einem beweisfesten
Verursacher zuzuordnen. Selbst der Paradefall 1816-Tambora
ist nicht frei von solchen Problemen, wie ich (hoffentlich) mit
diesem Artikel zeigen konnte. Vor allem bleibt zu klären, warum
die Klimawirksamkeit eines Vulkanausbruchs nicht unbedingt von seiner
(Sulfat)Stärke abhängt - ansonsten hätte z.B. der
gewaltige Ausbruch von 1257 schon fast im Alleingang eine kleine
Eiszeit bewirken können oder umgekehrt, der eher kleine
Ausbruch des Huaynaputina nicht zur größten globalen
Sommerabkühlung der letzten 600 Jahre führen können.
Ob tatsächlich die Abfolge mehrerer (mäßig) starker
Vulkanausbrüche innerhalb weniger Jahre das globale Klima in
einen anderen Zustand schieben kann (und so vielleicht die Kleine
Eiszeit oder die Serie sehr kühler Sommer um 1815 herum
ausgelöst wurde)? Eine interessante Theorie, vorerst aber noch
sehr spekulativ - und damit natürlich ein dankbares Feld für
weitere Forschungen!
Brisant und spannend ist dieser ganze Themenkomplex allemal - denn jederzeit, vielleicht schon morgen, könnte sich ein neuer, schwerer Ausbruch der Tambora-Klasse ereignen (14), und im nächsten Sommer würden wir dann hier in Deutschland nicht über neue Hitzerekorde jenseits der 40° reden (wie zuletzt 2003), sondern über Schneefälle bis ins Flachland hinunter im Juni ...
Angaben gemäß § 5 TMG: Dr. Wolfgang Rammacher, Amselweg 20, 66640 Namborn, Deutschland
Kontakt: E-Mail: wrammacher@gmx.de
Verantwortlich für den Inhalt nach § 55 Abs. 2 RStV: Dr. Wolfgang Rammacher